Rotglut - Kriminalroman
meist trug, wenn er sie zu Gesicht bekam.
18. Juli 2010, Bremen
Peter Dahnken war gerade mal fünf Minuten im Präsidium, als eine Mitarbeiterin, die an der Pforte ihren Dienst versah, ihn wissen ließ, dass eine Besucherin für ihn da wäre.
»Ich komme gleich runter und hole die Dame ab«, sagte er und machte sich auf den Weg. Auf der Treppe wählte er Hölzles Nummer und gab ihm Bescheid, dass Saskia Uhlenbruck offensichtlich schon da war. Zehn Minuten später führte er die Frau in Hölzles Büro und bat sie, Platz zu nehmen.
»Frau Uhlenbruck, das ist mein Chef, Kriminalhauptkommissar Hölzle«, stellte er Heiner vor, »er leitet die Ermittlungen im Fall Ihres Vaters.«
Saskia nickte und kramte aus ihrer Handtasche den vergilbten Umschlag mit dem Brief. »Hier, bitte. Es steht nicht viel drin, aber ich kann mir keinen Reim darauf machen, was mein Vater mit ›Gemeinwohl‹ meinte. Vielleicht können Sie mehr damit anfangen.«
Peter nahm den Brief, las die wenigen Zeilen und reichte ihn an Hölzle weiter. Der runzelte kurz die Stirn, las und warf Peter dann einen vielsagenden Blick zu. »Frau Uhlenbruck, seit wann haben Sie diesen Brief?«, wandte er sich an Saskia.
»Meine Mutter hat ihn mir gestern gegeben. Sie hatte zunächst behauptet, sie hätte ihn damals, als mein Vater verschwand, verbrannt. Ich habe ihr aber nicht geglaubt. Sie hat mich in dieser Angelegenheit schon mehrfach belogen«, fügte sie traurig hinzu. In ihren Augen begannen Tränen zu glänzen. Peter zog aus seiner Hosentasche ein verknittertes Papiertaschentuch und reichte es Saskia, die dieses, mit einem vorsichtigen Blick auf den Frischezustand des Taschentuchs, dankbar annahm.
»Kann es sein, dass Ihre Mutter mehr über die Hintergründe weiß, als sie zugeben will? Schließlich hat sie uns gegenüber behauptet, sie hätte nicht einmal gewusst, dass Stegmann damals nicht gestorben ist.« Hölzles Tonfall war schärfer geworden. Saskia Uhlenbruck vergrub das Gesicht in ihren Händen.
»Ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich glauben soll«, murmelte sie. »Woher auch? Bis vor Kurzem war der einzige Vater, den ich kannte, Bertram gewesen. Haben Sie irgendeine Ahnung, wie es mir gerade geht?« Jetzt begann sie, richtig zu weinen.
Peter stand auf und legte ihr die Hand auf die Schulter. »Beruhigen Sie sich, bitte. Möchten Sie etwas zu trinken?« Sie nickte, ohne aufzuschauen. Dahnken ging zur Tür, um eine Flasche Mineralwasser zu holen, und prallte mit Harry zusammen, der, wie immer, schwungvoll die Tür aufriss und hereinstürmte.
»Moin, allerseits. Kutesa hat ein Fax geschickt. Er sagt, Renard hat sich wenige Wochen vor seiner Abreise in Abidjan mit jemandem getroffen und war höchst angespannt gewesen. Jemanden, den er von früher kannte und …«, er brach ab, als er bemerkte, dass Hölzle und Dahnken nicht allein waren.
Peter rettete die Situation und bat Saskia Uhlenbruck, mit ihm in sein Büro zu kommen. So konnte Harry die weiteren Neuigkeiten Heiner ohne Zuhörer mitteilen.
»Ist das das Fax?«, wollte Hölzle wissen und deutete auf das Blatt Papier, das Harry in der linken Hand hielt. Wortlos reichte Schipper ihm das Schreiben. Im Tausch dafür gab Hölzle ihm den Brief, den Stegmanns Tochter mitgebracht hatte. Hölzle überflog das Fax.
»Was hältst du davon?« Harry sah seinen Chef fragend an. Dieser öffnete seine Vorratsschublade und entnahm ihr eine Tafel Schokolade, die er einladend auf den Schreibtisch legte. »Nimm ruhig«, forderte er Harry auf, »ich bin mir ziemlich sicher, dass ich nun weiß, womit wir es hier zu tun haben. In diesem Brief spricht Stegmann von ›Gemeinwohl‹, dem er gedient hat, und Kutesa behauptet, Stegmann hätte sich mit jemandem getroffen, der ihm einen Haufen Geld gegeben hat. Wofür, weiß Kutesa nicht, aber er hat das Bündel Scheine definitiv gesehen. Scheint wohl, dass Stegmann in kriminelle Machenschaften verstrickt war und den besagten Menschen in Abidjan erpresst hat. Das würde auch die mehr als 8.000 Euro erklären, die ihr in seinem Hotelzimmer gefunden habt.«
»Jetzt weiß ich immer noch nicht, auf was du hinauswillst«, sagte Harry und brach sich ein Stückchen Schokolade ab.
»Ganz einfach, Harry. Zähl einfach eins und eins zusammen. Stegmann verschwindet, als in Bremen zwei Verbrechen geschehen, die im Zusammenhang mit der RAF stehen. Er arbeitete für das ›Gemeinwohl‹, wie er im Brief an seine Frau schreibt. ›Gemeinwohl‹ kann natürlich auch die
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