Rotglut
›antworten‹ und schrieb eine weitere E-Mail an M. Jacques Durand. Er bat ihn um Kontaktdetails zu Joseph Kutesa, damit sie selbst direkt mit Kutesa kommunizieren konnten. Vielleicht gab es doch irgendwelche Hinweise, warum Renard alias Stegmann nach so vielen Jahren nach Deutschland zurückgekommen war und wie er sich das alles hatte leisten können. Dahnken hoffte auf Briefe oder andere Schriftstücke in Stegmanns Haushalt. Nachdem er sich noch einmal bei Durand bedankt hatte, klickte er auf ›senden‹.
In die Stille seines Zimmers ratterte das Faxgerät. Dahnken nahm das Blatt Papier in die Hand, das herausgeschoben worden war. Es war die Nachricht einer der Sicherheitsfirmen, dass sich bei ihnen niemand an einen Raimund Stegmann erinnern könne. Das hatte Peter sich schon fast gedacht.
Harry Schipper betrat das Büro und balancierte einen Teller, gefüllt mit süßen Teilchen, in der linken Hand. »Na, wie läuft’s? Hab uns was zum Kaffee mitgebracht. Zucker schadet nie beim Denken. Habe mir sagen lassen, dass das Gehirn etwa 20 Prozent der Gesamtenergie des Körpers verbraucht. Also bei mir sind es eher 40, bei dir, vermute ich mal, höchstens zehn.« Er grinste unverschämt und stellte den Teller vor seinem Kollegen ab.
Peter Dahnken ging erst gar nicht auf den blöden Spruch ein und griff sich eine Rosinenschnecke. »Danke«, murmelte er mit vollen Backen. »Hier gibt’s eigentlich nichts Neues.« Er berichtete kurz vom Inhalt der E-Mail.
»Heiner und ich waren gerade bei dieser Frau, deren Eltern früher das Haus gehört hatte, in dem Rosenberg vermutlich gefangen gehalten worden ist. Die ist Eigentümerin eines Esoterikladens«, berichtete Harry und brachte seinen Kollegen auf den Stand der Dinge. Anschließend erzählte er von den seltsamen Utensilien, die man in dem Laden erstehen konnte. »Du kannst dir nicht vorstellen, wofür Leute offensichtlich bereit sind, ihr Geld auszugeben. Aber ich habe ein Geschenk für Heiners Geburtstag gefunden.« Beide hatten gestern die Einladung zu Christianes Feier und Heiners Geburtstag bekommen.
»Lass hören«, ermunterte Peter seinen Freund.
»Pass auf. Da war ein Fläschchen, auf dem stand, dass, wenn man diese Tropfen vernebelt, man Blicke in die Zukunft werfen kann, und jetzt kommt’s: Man kann Fehler bei der Anwendung technischer Geräte vermeiden! Das ist doch genau das, was Heiner braucht. Kannst du dich noch erinnern, wie lange es gedauert hat, bis er sein neues Handy im Griff hatte? Köstlich.« Harry lachte sich kaputt, und Peter stimmte mit ein.
»So ein Quatsch. Du willst das nicht ernsthaft verschenken, oder?«, japste Dahnken.
»Na ja, ich dachte, so als kleiner Gag. Er bekommt schon noch was, was ihn wirklich freut«, gab Harry mit gerötetem Gesicht zurück.
»Und was soll der Spaß kosten?« Peter runzelte die Stirn. Harry druckste etwas herum. »Also, äh ja, das ist das Problem. Die wollen 23 Euro und 90 Cent dafür …«
»Du hast sie ja wohl nicht mehr alle. Kommt nicht infrage. Gag hin oder her. Das wird echt zu viel, wir sind ja nur zu dritt. Markus, du und ich«, lehnte Peter vehement ab, »und wenn wir dann noch ein richtiges Geschenk besorgen wollen, ist mir das als Gag zu viel.«
»Vier. Du hast Sandra vergessen, Markus’ Freundin«, konterte Harry.
»Das reißt es auch nicht raus. Ich dachte, wir wollten ihm eine Eintrittskarte für die Flippers schenken, die kommen doch im November nach Bremen mit ihrer Abschiedstournee. Das Ticket kostet um die 65 Euro, und zusätzlich bekommt er noch eine Originalsingle von diesen singenden Softies mit ihren Gruseljacketts. Ich würde mal sagen, das reicht. Kannst dir ja deinen Energiesprühnebel selbst kaufen, vielleicht bist du dann wieder klar im Kopf und bekommst keine Halluzinationen mehr«, spielte er auf Harrys ›Hitzetraum‹ an, den dieser ihm brühwarm erzählt hatte.
»Blödmann. Aber du hast ja recht«, gab Harry kleinlaut zu, »es wird zu teuer.«
*
Zur gleichen Zeit saß Hölzle im Büro von Dr. Sabine Adler-Petersen. Sie berichtete ihm bei einer Tasse Kaffee, was sie noch über den Zustand von Raimund Stegmann herausgefunden hatte.
»Ich hatte recht mit meiner Vermutung. Der Mann litt an Tuberkulose mit Gehirnbeteiligung. Der Neuropathologe hat dies bestätigt. Lange hätte er so oder so nicht mehr gelebt. Herr Rotenboom kommt übrigens auch gleich hierher mit den Ergebnissen der Spurensicherung.«
Es klopfte. »Ah, da ist er schon«, sagte Adler-Petersen.
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