Roth, Philip
zwischen Bucky und Marcia, sondern zwischen Bucky und Marcias Vater. Dr. Steinberg hatte ihm geschrieben, es sei seine Pflicht, Marcia zu empfangen, damit sie ihm persönlich sagen könne, was sie denke und empfinde. »Marcia und die Famile«, hatte Dr. Steinberg geschrieben, »haben von Ihnen etwas Besseres verdient.« Einem von Hand und auf Papier mit dem Briefkopf des Krankenhauses geschriebenen Brief von einem Mann mit Dr. Steinbergs Format hatte Bucky natürlich nichts entgegenzusetzen, und so wurden Datum und Uhrzeit von Marcias Besuch festgesetzt, und der Streit begann, kaum dass sie gekommen war und er sah, dass sie ihr Haar hatte wachsen lassen, seit sie einander zuletzt gesehen hatten, und jetzt fraulicher wirkte als im Camp, schöner als je zuvor. Sie trug Handschuhe und einen Hut, ganz die propere Lehrerin, in die er sich verliebt hatte.
Sie könne nichts sagen, was ihn dazu bringen werde, seinen Entschluss zu ändern, sagte er, so sehr er sich auch danach sehnte, die gesunde Hand auszustrecken und ihr Gesicht zu berühren. Statt dessen packte er mit der gesunden Hand den gelähmten Arm am Handgelenk und hob ihn auf Augenhöhe hoch. »Hier«, sagte er. »So sehe ich jetzt aus.«
Sie sagte nichts, aber sie zuckte auch nicht mit der Wimper. Nein, sagte er, er sei nicht mehr imstande, ein Ehemann und Vater zu sein, und es sei unverantwortlich von ihr, etwas anderes zu glauben.
»Unverantwortlich von mir?«, rief sie.
»Die edle Heldin zu sein. Ja.«
»Wovon redest du eigentlich? Ich versuche, niemand anders zu sein als der Mensch, der dich liebt und dich heiraten und deine Frau sein will.« Und dann hielt sie die kleine Rede, die sie sich zweifellos während der Zugfahrt zurechtgelegt hatte. »Bucky, es ist doch gar nicht so kompliziert. Ich bin nicht kompliziert. Weißt du noch? Weißt du noch, was ich im Juni zu dir gesagt habe, in der Nacht, bevor ich zum Camp gefahren bin? >Wir werden es perfekt machen.< Und das werden wir auch. Daran hat sich nichts geändert. Ich bin bloß eine ganz normale Frau, die glücklich sein will. Und du machst mich glücklich. Du hast mich immer glücklich gemacht. Warum nicht auch jetzt?«
»Weil es nicht mehr die Nacht ist, bevor du zum Camp gefahren bist. Weil ich nicht mehr der Mensch bin, in den du dich verliebt hast. Wenn du das glaubst, machst du dir etwas vor. Du tust nur, was dein Gewissen dir sagt - das verstehe ich.«
»Gar nichts verstehst du! Du redest Unsinn! Du bist derjenige, der edel sein will, indem er sich weigert, mit mir zu sprechen und mich zu sehen. Indem er mir sagt, ich soll ihn in Ruhe lassen. Ach, Bucky, du bist so blind!«
»Marcia, heirate einen Mann, der nicht verkrüppelt ist, der gesund und stark ist und alles hat, was ein zukünftiger Vater haben muss. So intelligent und gebildet, wie du bist, kannst du jeden bekommen, einen Rechtsanwalt, einen Arzt. Das ist es, was du und deine Familie verdient haben. Und das sollst du bekommen.«
»Du machst mich so wütend, wenn du so redest! Nichts in meinem ganzen Leben hat mich je so wütend gemacht wie das, was du gerade tust! Ich kenne niemanden, der so viel Trost darin findet, sich selbst zu bestrafen!«
»Aber das tue ich doch gar nicht. Das ist eine absolute Entstellung dessen, was ich tue. Aber ich sehe die Folgen von dem, was geschehen ist, und du nicht. Du willst sie nicht sehen. Hör mir doch zu: Die Dinge sind nicht mehr so wie zu Beginn des Sommers. Sieh mich an. Der Unterschied könnte kaum größer sein. Hier.«
»Hör auf damit, bitte. Ich habe deinen Arm gesehen, und es macht mir nichts aus.«
»Dann sieh dir mein Bein an«, sagte er und zog ein Hosenbein seines Schlafanzugs hoch.
»Hör auf, ich bitte dich! Du denkst, es ist dein Körper, der entstellt ist, aber in Wirklichkeit ist es dein Geist!«
»Ein weiterer guter Grund, dir ein Leben mit mir zu ersparen. Die meisten Frauen wären entzückt, wenn ein Krüppel freiwillig aus ihrem Leben verschwinden würde.«
»Ich bin aber nicht wie die meisten Frauen! Und du bist nicht einfach ein Krüppel! Bucky, so warst du schon immer: Du konntest die Dinge noch nie mit dem richtigen Abstand betrachten - nie! Immer hältst du dich für verantwortlich, auch wenn du es nicht bist. Entweder der schreckliche Gott ist verantwortlich oder der schreckliche Bucky Cantor ist verantwortlich - in Wirklichkeit liegt die Verantwortung aber bei keinem von ihnen. Deine Haltung gegenüber Gott ist kindisch, einfach albern.«
»Hör zu, dein Gott
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