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Rotkäppchen und der böse Wolf

Rotkäppchen und der böse Wolf

Titel: Rotkäppchen und der böse Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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die Evakuierung von Dünkirchen in vollem Gange. In wenigen Tagen musste Paris fallen. Mit Entsetzen und Verwirrung machte man sich die Unzulänglichkeit der englischen Rüstung klar und die Unmöglichkeit, der deutschen Kriegsmaschine mit ihren motorisierten Einheiten wirksamen Widerstand entgegenzusetzen.
    »Ist das nun unsere gewöhnliche Schlamperei und Langsamkeit«, fragte Tommy, »oder steckt hinter dem Ganzen ein wohlberechneter Plan?«
    »Ich glaube eher an geheime Machenschaften. Aber wer kann es beweisen?«
    »Niemand. Dafür sind unsere Gegner zu schlau.«
    »Aber schließlich haben wir uns doch schon eine Menge Läuse aus dem Pelz gekämmt.«
    »Ja natürlich, verdächtiges Gesindel wird festgenommen, genug und übergenug. Doch den Kopf oder die Köpfe, die hinter allem stecken – die haben wir noch nicht. Dennoch muss da ein Kopf sein, eine Organisation, ein bis in die kleinsten Einzelheiten sorgfältig ausgeheckter Plan – und dieser Plan rechnet mit unserer Saumseligkeit, mit unserem kleinlichen Parteienhader, unseren nationalen Eigentümlichkeiten und nützt unsere zaudernde Langsamkeit für seine eigenen Zwecke aus.«
    »Deshalb sind wir hierher geschickt worden«, sagte Tuppence mit einem unterdrückten Seufzer, »und da stehen wir – mit leeren Händen.«
    »Na, etwas haben wir immerhin schon geschafft«, erinnerte Tommy.
    »Etwas, ja. Carl von Deinim und Wanda Polonska. Immer wieder das kleine Kroppzeug.«
    »Aber warum wurde gerade dieses Kind entführt? Wer sind die Sprots? Reichtümer haben sie nicht – also ist auch kein Lösegeld zu erwarten. Irgendeine Beschäftigung bei der Regierung oder an gut informierter Stelle hat auch keiner von den beiden.«
    »Ich weiß, Tommy. Es ist ganz unverständlich.«
    »Kann Mrs Sprot uns nicht auf die Sprünge helfen?«
    »Ach, diese Frau!«, rief Tuppence ärgerlich. »Jedes Suppenhuhn hat mehr Verstand. Denken kann die überhaupt nicht. Sie sagt nur immer: ›So sind diese schrecklichen Deutschen, so sind sie eben!‹«
    »Blödes Geschwätz«, erwiderte Tommy. »Die Deutschen wissen, was sie wollen. Wenn die von ihren Agenten ein Kind rauben lassen, dann haben sie ihren Grund dafür.«
    »Ich meine immer«, sagte Tuppence, »Mrs Sprot müsste irgendeinen Anhaltspunkt finden, wenn sie nur einmal richtig nachdenken wollte. Da muss etwas sein – vielleicht eine Information, die sie bekommen hat, ohne zu wissen, was sie damit anfangen soll.«
    »›Unternehmen Sie nichts. Warten Sie Anweisungen ab‹«, zitierte Tommy den in Mrs Sprots Zimmer gefundenen Zettel.
    »Verflucht nochmal, es muss etwas dahinterstecken.«
    »Zweifellos. Ich denke manchmal, dass man Mrs Sprot – oder ihrem Mann – irgendetwas zum Aufbewahren gegeben hat, gerade weil sie so gewöhnliche Durchschnittsmenschen sind, dass niemand sie verdächtigen wird – aber was könnte das nur sein?«
    »Du, das ist nicht dumm!«
    »Vielleicht. Klingt aber doch ziemlich nach Spionagefilm. In Wirklichkeit kommt so etwas wohl nicht vor.«
    »Hast du Mrs Sprot nicht gesagt, dass sie ihr Gehirn ein bisschen anstrengen soll?«
    »Gewiss. Aber es interessiert sie gar nicht. Sie denkt nur an Betty. Betty ist wieder da – alles andere ist ihr gleichgültig –, höchstens dass sie noch manchmal hysterische Zustände kriegt, weil sie gemordet hat.«
    »Frauen sind komisch«, bemerkte Tommy sinnend. »Damals war die Person doch wie eine Rachegöttin. Sie hätte kalten Blutes ein ganzes Regiment niedergeknallt ohne die geringsten Gewissensbisse, nur um ihr Kind zurückzubekommen. Und kaum hat sie mit einem unwahrscheinlichen Glück die Entführerin wirklich zur Strecke gebracht, da kriegt sie Zustände und heult und winselt.«
    »Das Gericht musste sie freisprechen. Das war nur in Ordnung.«
    »Natürlich. Mein Gott, ich hätte in dem kritischen Augenblick nicht den Mut zum Schießen aufgebracht.«
    »Sie auch nicht – wenn sie sich die Sache überlegt hätte –, alles war reiner Zufall. Sie brachte es über sich, unter diesen Umständen abzudrücken, weil sie keine Ahnung von der Gefährlichkeit des Schusses hatte.«
    Tommy nickte. »Ganz biblisch«, sagte er, »David und Goliath.«
    »Oh!«, rief Tuppence plötzlich.
    »Was hast du?«
    »Ich weiß selbst nicht. Als du eben ›biblisch‹ sagtest, da knackste etwas in meinem Gehirn, aber nun ist es wieder weg.«
    »Na – David und Goliath?«
    »Nein – warte, ich glaube, etwas mit König Salomon.«
    »Zedern? Tempel? Viele Frauen? Viele, viele

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