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Rotkäppchen und der böse Wolf

Rotkäppchen und der böse Wolf

Titel: Rotkäppchen und der böse Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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gegen ihn? Und ich hatte gemeint, Sie hätten ihn gern. Er glaubte es auch.«
    Rührend, diese jungen Geschöpfe mit ihrer Zutraulichkeit und der Zuversicht, dass jedermann ihnen wohlwollte. Und dabei stimmte es sogar. Hatte sie nicht echte Zuneigung für Carl empfunden? Empfand sie sie nicht immer noch?
    »Sheila«, sagte sie müde, »hier geht es nicht darum, ob ich Carl gern habe oder nicht. Wir sind im Krieg, im Krieg mit Deutschland. Es gibt viele Wege, dem eignen Land zu dienen – man kann auch nach Nachrichten fahnden, kann hinter der Kampflinie im Feindesland arbeiten. Es ist sehr, sehr tapfer, das zu tun. Allerdings…«, ihre Stimme sank, »wird einer dabei gefasst, so bedeutet es – das Ende.«
    »Und Sie denken wirklich, Carl…«
    »Er könnte in dieser Weise für sein Land gearbeitet haben. Möglich ist es doch.«
    »Nein!«, entgegnete Sheila.
    »Und doch könnte gerade das seine Aufgabe gewesen sein: als Flüchtling, als wütender Nazigegner hierher zu kommen, in Wirklichkeit aber als Spion.«
    »Das ist nicht wahr«, sagte Sheila ruhig. »Ich kenne Carl. Ich kenne sein Herz und seinen Sinn. Er ist dankbar dafür, dass England ihn arbeiten lässt. Wenn so wild auf Deutschland geschimpft wird, dann fühlt er sich allerdings als Deutscher, und das ist bitter genug für ihn. Aber er hasst die Nazis und ihre Methoden.«
    »Wenigstens hat er das gesagt«, warf Tuppence ein.
    Sheila sah sie groß und vorwurfsvoll an.
    »Sie halten ihn also wirklich für einen Spion?«
    Tuppence zögerte.
    »Zum Mindesten scheint es mir nicht unmöglich.«
    Sheila ging zur Tür.
    »Danke. Ich weiß nun genug. Ich wollte Sie bitten, uns zu helfen. Das bedaure ich jetzt.«
    »Aber was um alles in der Welt könnte ich denn tun?«
    »Sie kennen alle möglichen Menschen. Ihre Söhne sind in der Armee und in der Marine und kennen einflussreiche Leute. Haben Sie das nicht öfter als einmal erzählt? Vielleicht… vielleicht könnten sie etwas für ihn tun?«
    »Meine Söhne werden wohl kaum etwas ausrichten können. Es tut mir leid.«
    Sheila warf den Kopf zurück. »Dann gibt es keine Hoffnung für uns«, rief sie leidenschaftlich. »Man wird ihn fortbringen und einsperren, und eines Tages, ganz früh am Morgen, wird man ihn an die Wand stellen und erschießen – und das wird das Ende sein!«
    Sie stürzte aus dem Zimmer und warf die Tür hinter sich zu.
    Oh, diese Iren und ihr Temperament!, dachte Tuppence in einem Wirbel einander widersprechender Gefühle. Ist Carl von Deinim nun ein Spion? Dann verdient er natürlich, erschossen zu werden. Ja, er verdient es, verstehst du, Tuppence? Lass dich gefälligst nicht behexen von dem Mädchen und seiner süßen irischen Stimme. Er ist ein Spion, kein Märtyrer, kein tragischer Held. Aber in ihr sprach noch eine andere Stimme und ließ sie nicht los: Oh, wäre es doch nicht wahr! Wenn es nur nicht wahr wäre!
    Aber konnte sie – nach allem, was sie wusste – noch zweifeln?
    Der Angler am Ende der Alten Mole warf seine Leine aus und zog sie dann vorsichtig wieder ein.
    »Also eine klare Sache.«
    »Leider«, sagte Tommy. »Es ist wirklich schade. Der Junge ist nett und sympathisch.«
    »Mein Lieber, das sind diese Leute meistens. Kleine Stänker und feige Hunde gehen nicht freiwillig in Feindesland. Sie wissen selbst, wie viel Mut dazu gehört. Aber die Beweise sind ganz einwandfrei.«
    »Wirklich ganz einwandfrei?«
    »Ohne jeden Zweifel. Zwischen den chemischen Aufzeichnungen fand sich eine Liste eventueller Faschistenfreunde in der Fabrik. Auch ein sehr scharfsinnig ausgedachter Sabotageplan. Ferner ein chemisches Verfahren, um große Mengen Nahrungsmittel zu vernichten. Das dürfte genügen.«
    »Und wäre es nicht immerhin möglich«, begann Tommy unsicher – (innerlich verwünschte er Tuppence, weil er ihr hatte versprechen müssen, das zur Sprache zu bringen) –,»… könnte nicht jemand all dies Material bei ihm eingeschmuggelt haben?«
    Mr Grant lächelte ein wenig diabolisch. »Das ist zweifellos die Ansicht Ihrer Frau«, vermutete er.
    »Ja, meine Frau meinte das.«
    »Wahrscheinlich kein schlechter Gedanke«, sagte Mr Grant verständnisvoll. »Aber ernsthaft wird so etwas wohl nicht infrage kommen«, fuhr er fort. »Es wurde auch eine Geheimtinte bei ihm gefunden. Das allein ist verdächtig genug. Und wie geschickt er es angefangen hat. Nicht etwa die übliche Flasche auf dem Waschtisch. ›Vor Gebrauch schütteln‹ oder sonst etwas Ähnliches. Früher habe ich

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