Rotkäppchens Rache
Schutzvorkehrungen sie getroffen haben, aber es müsste eigentlich gehen.« Schnee kniff die Augen zusammen. »Was genau werden wir ihr sagen?«
»Nicht wir.« Roudette lächelte. »Ich. Nachdem ich Dornröschen gefangen genommen habe, wünsche ich direkt mit Zestan zu verhandeln. Mein ursprünglicher Vertrag war mit Lakhim, aber bestimmt kann eine große Elfe mehr anbieten als jede Menschenkönigin.«
Talia warf einen Blick nach unten, als ob sie sich vergewissern wollte, dass Faziya noch schlief. Mit gesenkter Stimme sagte sie: »Zestan wird Beweise wollen. Sie wird nicht einmal mit dir reden, wenn du mich nicht hast.«
»Deshalb gehen wir zusammen«, sagte Roudette. »Ich liefere dich an Zestan aus, und indem ich das mache, führen wir die Kha’iida zu ihrer Tür. Die Kha’iida verbreiten die Nachricht, und ganz Arathea wendet sich gegen sie. Wir sollten auch Lakhim alarmieren, damit ihre Leute die Kha’iida verstärken können.«
»Was wird aus dir und Talia?«, warf Danielle ein.
Roudette beobachtete Talia scharf. Talia war der wahrscheinliche Ausgang von Roudettes Vorschlag nur zu bewusst.
»Ich werde nicht zulassen, dass Zestan mich gegen Arathea verwendet«, erklärte Talia.
»Zestan könnte überall sein«, protestierte Schnee. »Bis die Kha’iida euch eingeholt haben -«
»Ich weiß.« Talia drehte sich zu Muhazil um. »Königin Lakhim besitzt einen Hengst aus Ebenholz, eine verzauberte Statue mit der Fähigkeit, einen Reiter schneller an jedem beliebigen Ort in Arathea abzusetzen, als er seinen Namen sagen kann. Das Pferd könnte einzelne Reiter hin- und zurücktragen.«
»Woher weißt du das?«, fragte Muhazil.
Talia schnaubte. »Sie hat ihn meiner Familie gestohlen.«
»Es lagern Kha’iida in weniger als einem Tagesritt Entfernung vom Palast«, sagte Muhazil. »Unsere Messer verbinden uns. Ich werde veranlassen, dass sie Reiter zu Lakhim schicken, die sie auffordern, ins Hai’ir tel zu kommen.«
Roudette fletschte die Zähne. »Bis sie eintreffen, finden sie Talia und mich vielleicht schon dabei vor, wie wir auf unsern Sieg über die Deev anstoßen. Stellt euch nur die Geschichten vor, die sie erzählen werden!«
»Wahrscheinlicher ist es, dass sie eure Leichen vorfinden«, meinte Schnee. »Es ist nicht nur Zestan, gegen die ihr kämpfen müsst: Wer weiß, welche Wächter sie außer der Wilden Jagd noch um sich geschart hat?«
»Fällt euch denn ein anderer Weg ein, um Zestan zu finden?«, fragte Talia herausfordernd. Niemand antwortete.
»Sagt mir, wenn ihr so weit seid, mit der Raikh Kontakt aufzunehmen.« Roudette tippte sich grüßend ans Herz und verließ das Zelt. Den Gedanken hatte sie gesät; alles, was die andern noch tun mussten, war, die Einzelheiten auszuarbeiten.
Dies war dann also das Ende ihres Weges. Endlich würde sie das Wolfsfell abwerfen und die Arbeit ihrer Großmutter vollenden. Bald wären Zestan und die Wilde Jagd vernichtet, und sie würde endlich ruhen können.
Talia hätte eine gute Herrscherin abgegeben. Es war ein Jammer, dass sie nie die Chance dazu haben würde.
*
Es wurde beschlossen, dass Schnee ihre Zauber im Zelt der Seherin vorbereiten sollte, welches bereits vor Entdeckung geschützt war. Kha’iida-Zauberei war neu für sie und sie verbrachte viel zu viel Zeit damit, das Zelt zu untersuchen, um herauszufinden, wie die Schutzzauber ins Tuch gewirkt worden waren.
Es war für Schnee eine Frage des Stolzes, Turz nicht um Erklärungen zu bitten. Eines nach dem andern fuhr sie mit den Fingern über die quadratischen Felder des Zeltes. Es gab keine Runen, keine Muster, mit denen die Magie in eine bestimmte Form gezwungen wurde. Es war, als hätte Turz jede einzelne Faser verzaubert.
Sie lachte, als sie es endlich kapierte. Turz hatte nicht das Zelt verzaubert: Die Ziege hatte sie verzaubert, wahrscheinlich Augenblicke, bevor sie geschoren worden war. Das Haar von jener Ziege war mit nichtmagischem Haar vermischt und versponnen worden, sodass jedes Feld eine Spur von Magie in sich trug. Ein solcher Zauber konnte nicht gebrochen werden, ohne das ganze Zelt zu zerstören.
Nachdem dieses Geheimnis gelüftet war, begab sich Schnee an die Arbeit. Die anderen sahen schweigend zu, wie sie mithilfe eines behelfsmäßigen Federkiels winzige Symbole auf den größten ihrer Spiegel schrieb. Da sie keine richtige Tinte zur Verfügung hatte, musste ein Becher kalten Kaffees herhalten. Die wässrigen Symbole neigten dazu ineinanderzulaufen und trockneten schnell
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