Rotkäppchens Rache
Talia an der Gurgel. Talia, die davon überrumpelt wurde, schlug ihr mit der Faust auf den Ellbogen. Roudette grunzte und griff fester zu. Schnee machte sich schon bereit, mit einem Zauberspruch einzugreifen, als Talia sich entspannte und vor den Spiegel zerren ließ.
»Ich habe ein sehr großzügiges Angebot von Königin Lakhim für die hier«, sagte Roudette. »Ich habe mir sagen lassen, Eure Elfenfreunde können mehr bezahlen, aber wenn dem nicht so ist, mache ich mich auf den Weg zur Königin.«
Schnee beobachtete, wie die Jinniyah zur Seite trat und Platz für Rajil machte. Mit hasserfülltem Blick musterte die Raikh Talia. Ihre Hand ging zur Kehle; zweifellos erinnerte sie sich daran, wie Talia ihren Hals umklammert hatte. Rajils Blick wanderte zu Roudette. »Ich kenne Euch!«
Schnee spannte sich an. Als sie in der Villa gewesen waren, war Roudette die ganze Zeit in ihrer Wolfsgestalt gewesen. Falls Rajil Roudette irgendwie erkannt und begriffen hatte, dass sie mit Talia zusammenarbeitete, war ihr Plan von vornherein zum Scheitern verurteilt. Doch Rajil lächelte bloß. »Wie hat die Lady von der Roten Kappe die Macht gefunden, mein Hellsichtbecken zu kontrollieren?«
»Habe ich nicht«, entgegnete Roudette leichthin. »Das hat eine von Talias Freundinnen für mich getan, eine Hexe aus Lorindar.«
»Talias Freundin hat Euch geholfen?«, vergewisserte sich Rajil.
»Anfangs nicht.« Roudette fletschte die Zähne. »Sie hatten noch eine andere Freundin. Nachdem ich der beide Knie zerschmettert hatte, zeigte sich die Hexe kooperationsbereit.«
Nur wenige Dinge brachten Schnee dieser Tage aus der Fassung, aber das nonchalante Lächeln, mit dem Roudette über die Folterung Danielles log, machte sie schaudern. Etwas in Roudettes Augen ließ darauf schließen, dass sie keinerlei Skrupel hätte, das Gesagte genau so in die Tat umzusetzen, sollte die Situation es erfordern.
»Was genau wollt Ihr?«, fragte Rajil.
»Zestan kontrolliert die Wilde Jagd. Ich will ihr Wort als Elfe, dass die Jagd nie wieder Morova betritt.«
Schnee runzelte die Stirn. Das war nicht Teil der Absprache gewesen.
Rajil zuckte nicht einmal mit der Wimper. »Wie werden wir Euch finden?«
Roudette ergriff Schnee am Gewand und zog sie vor den Spiegel. »Die Hexe wird Euch führen.«
»Der Spiegel«, sagte Schnee und tat ihr Bestes, gebrochen und voller Groll zu klingen. »Es gibt ein Band, das ihn mit Eurem Becken verbindet. Jeder halbwegs kompetente Zauberer kann diesem Faden folgen.«
Rajil lächelte, und das Verlangen, mit dem sie Talia anstarrte, war nicht zu übersehen. »Ich werde Euer Ersuchen Zestan übermitteln. Vielleicht ist sie so nett und gibt mir als Bezahlung Talias Freundinnen. Sie würden meinen Garten auf das Schönste ergänzen.«
Roudette hielt sich den Spiegel vors Gesicht, so dicht, dass das Glas von ihrem Atem beschlug. »Ihr habt bis Sonnenaufgang. Ich weiß, dass Zestan Talia lebend will. Hintergeht mich, und ich werde sie eigenhändig töten. Dann werde ich mein Kopfgeld von Lakhim einfordern, und Ihr könnt Euer Versagen Zestan erklären.«
Ohne nachzudenken verdunkelte Schnee den Spiegel. Sie befreite sich aus Roudettes Griff und massierte sich die Augen, um die Kopfschmerzen zu lindern. Sie musste noch eine weitere Verzauberung wirken, die den andern ermöglichen würde, Talia und Roudette zu folgen. »Wir sind jetzt sicher. Sie können uns nicht hören, es sei denn, ich lasse sie.«
»Wir werden euch folgen, so schnell wir können«, sagte Muhazil. »Die Wilde Jagd hat mein Volk zu lange gepeinigt. Ich stehe in eurer Schuld.«
»Ja, das tust du.« Talia fuhr mit der Hand durch die Luft und schnitt ihm das Wort ab. Dies war eine Seite von ihr, die Schnee selten gesehen hatte. Sie hielt den Kopf hoch und artikulierte jede Silbe. Sie war kleiner als Muhazil, aber ihre Haltung erweckte den Anschein, als sähe sie auf ihn herab. »Als Bezahlung für diese Schuld wirst du Faziya wieder in deinem Stamm willkommen heißen. Dies soll ihr Zuhause sein, solange sie es will.«
Muhazil warf einen schnellen Blick auf Faziya, die bei Talias Worten ganz still
geworden war. »Sie ist aus freiem Willen gegangen. Sie verließ ihr Erbe, verließ ihren —«
»Sind wir im Geschäft?«, fragte Talia.
Mit einer Hand an der Brust verneigte sich Muhazil. »Das sind wir in der Tat, Prinzessin.« Er drehte sich um und scheuchte die Menge fort. Als sie allein waren, sagte er: »Dir ist klar - wenn Zestan wirklich eine Deev
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