Rotkäppchens Rache
verzaubert, genau wie die Steine des Brunnens und das Reservoir. Sie konnte diese Extraschicht Magie durchbrechen, aber das würde nicht angenehm werden.
»Was ist?«, rief Danielle hoch.
»Ein anständiger Zauber braucht seine Zeit!«, rief Schnee zurück.
Talias Prusten hallte deutlich im Brunnen wider. »Seit wann gibst du denn was auf Anstand?«
Trotz ihrer Frustration musste Schnee lächeln. Sie berührte die Platte noch einmal, als ein leises Zwitschern auf der anderen Seite sie erschreckte. Sie riss die Hand zurück.
»Warte!«, rief Danielle. »Versuch’s jetzt noch mal!«
Schnee tat wie geheißen. Dieses Mal ließ sich die Abdeckung höher anheben und gab ihren Blicken einen runden, fensterlosen Keller preis. Ein kleiner, braunschwarzer Vogel mit einem Federschopf auf dem Kopf stand am Brunnenrand.
»Talia wurde ungeduldig«, erklärte Danielle. »Ich dachte, du möchtest vielleicht Hilfe.«
Schnee sagte nichts. Sie dämpfte das Licht an ihrem Halsband, während sie sich im Keller umblickte. Sobald sie sicher war, dass sich niemand darin aufhielt, nahm sie ihre Kraft zusammen und drückte den Deckel höher. Er war überraschend schwer und fiel mit einem lauten, dumpfen Schlag zurück. Schnee erstarrte, aber es schien niemand etwas gehört zu haben.
»Ich hätte es schon irgendwann geschafft!«, rief sie nach unten. Sie kletterte aus dem Brunnen und warf dem Vogel einen ärgerlichen Blick zu. Neben dem Tier lag dicht bei einer Eisenöse, die im Fußboden befestigt war, ein Metallstab, so groß wie ihr kleiner Finger. »Na klar! Von außen ist leicht aufmachen!«
Der Brunnen selbst war einfach ein Loch im Steinboden. Auf einer Seite stand ein Eimer mit einem Seil, das an einer weiteren Öse im Boden festgeknotet war. Schnee ließ den Eimer herunter, um den andern beim Hochklettern zu helfen, und untersuchte den Raum dann genauer.
Das Erste, was ihr auffiel, war ein tiefes Summen, das sie an Luft erinnerte, die über die Öffnung eines Kruges strich. Das Geräusch kam von einem runden Loch in der Decke. Metallstäbe lagen kreuzweise über dem Loch, das breiter als der Brunnen war und eine Art Kamin zu sein schien.
Beim Keller selbst handelte es sich um einen kleinen Raum mit offenen Eingängen zu beiden Seiten. Schwere Vorhänge waren von den Türen zurückgebunden worden und erlaubten den Durchzug einer kräftigen Brise. Die Luft kühlte Schnees nasse Haut.
Tonkrüge säumten die Wände. Die meisten waren mit braunen und orangefarbenen Zeichnungen dekoriert; Bilder von sowohl magischen als auch alltäglichen Tieren. Staub bedeckte den Boden, mit Ausnahme der Pfade vom Brunnen zu den Türöffnungen.
Roudette kam als Nächste aus dem Brunnen heraus, gefolgt von Danielle. Diese lächelte, als sie den Vogel sah.
»Ich danke dir«, sagte sie. Der Vogel plusterte die Federn auf, flog hoch und verschwand in dem Loch in der Decke.
»Was ist das für ein Ding?«, fragte Schnee mit einem Blick auf das Loch.
»Ein Windfänger«, antwortete Talia, die sich gerade auf den Boden hochzog. »Erinnerst du dich an die hohe Konstruktion, die wir draußen gesehen haben? Der Wind strömt vorbei, saugt dabei die Luft durch den Turm hoch und zieht kühle Luft vom Keller durch die ganze Villa. Die Kehrseite der Medaille ist, dass ein guter Dieb sich diese Konstruktionen leicht zunutze machen kann, um ins Haus einzudringen. Irgendwann sind die Leute dann darauf gekommen, Gitter in die Türme einzubauen, um ungeladene Gäste fernzuhalten.«
Schnee spähte nach oben in den Windfänger, und ihre Schmerzen waren für einen Augenblick vergessen. Sie hatte von diesen Konstruktionen gelesen, aber noch nie eine gesehen. »Dann müsste es oben Klappen geben, um die Wirkung des Windes regulieren zu können.«
»Das ist richtig.« Talia wickelte das Seil auf und stellte den Eimer auf den Boden, dann zog sie die Brunnenabdeckung wieder an ihren Platz.
»Dann haben wir es also in den Keller geschafft«, stellte Roudette fest und blickte sich um. »Wie beabsichtigt ihr in den Garten zu kommen?«
Talia lächelte Roudette mit einem Ausdruck im Gesicht an, wie Schnee ihn so schalkhaft noch nie bei ihr gesehen hatte. Sie schnitt ein Stück Seil vom Eimer ab und legte den Rest so, dass man nichts davon sah, dann knotete sie in das eine Ende des Seilstücks eine schnelle Schlaufe. »Wo sonst sollten wir den neuesten Zuwachs von Rajils Menagerie hinbringen?«
*
Nasser Wolf roch ungefähr so wie nasser Hund. Talia schnitt eine
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