Rott sieht Rot
mir meine Sekretärin schon gesagt.«
»Ich dachte eigentlich, dass er bei Ihnen arbeitet.«
Er schüttelte den Kopf. »Schon seit ein paar Monaten nicht mehr.«
Ich verbarg meine Überraschung. »Seit wann genau?«, fragte ich.
Er ließ sich in seinem Stuhl nach hinten fallen und zog fest an der Zigarette. Dann strich er sich durch die Haare. »Warum wollen Sie das wissen?«
»Ich bin auf der Suche nach ihm.«
»Wenn es weiter nichts ist. Ich kann Ihnen die Adresse geben. Warten Sie mal …«Er machte Anstalten aufzustehen.
»Nein, nein«, wehrte ich ab. »Wo er wohnt, weiß ich.« Ich beschloss, Gregor reinen Wein einzuschenken. »Das Problem ist ein anderes: Er ist verschwunden.«
Gregor setzte sich wieder hin und sah mich erstaunt an. »Was? Wie verschwunden?«
»Wie ich es sage.«
»Wenn ich mich recht entsinne, wollte er doch heiraten. Vielleicht ist er auf Hochzeitsreise.«
»Die Hochzeit ist am Samstag, das heißt morgen. Und wenn er bis dahin nicht aufgetaucht ist, ist das für die Braut ziemlich peinlich.«
Er runzelte die Stirn. »Sie wollen damit sagen, dass er kurz vor seiner Hochzeit einfach so verschwunden ist? Über alle Berge? Das ist ja merkwürdig.« Er griff nach einem Aschenbecher.
»Ich dachte, Sie wüssten vielleicht, wo er sein könnte.«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?«
Er sah mich prüfend an. »Im August. Als ich ihn gefeuert habe.«
»Das war das letzte Lebenszeichen?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Er hat immer wieder mal angerufen. Letzte Woche war er sogar noch mal hier. Meine Sekretärin hat mit ihm gesprochen. Ich war nicht da.«
»An welchem Tag war das?«
»Ich glaube, Mittwoch oder Donnerstag. Am besten, wir gehen rauf und fragen sie.« Ihm schien etwas einzufallen »Glauben Sie, dass ihm etwas zugestoßen ist?«
»Ich weiß es nicht.«
»Sind Sie von der Polizei?«
»Nein, ich ermittle privat.«
Sein Blick wurde misstrauisch. »Und in wessen Auftrag?«
»Darüber kann ich keine Auskunft geben.«
»Hm. Ich weiß wirklich nicht, was ich dazu sagen soll.«
»Was hat er als Manager bei Ihnen denn genau gemacht?«
»Er hat zwei, drei Jahre versucht, unsere Firma promotionmäßig auszubauen. Wir planen, auch den normalen Musikmarkt mit abzudecken. Jesus in die Charts‹ - das sollte das Motto sein. Das Marketingkonzept erschien mir vielversprechend.«
»Und - hat es geklappt?«
Er zog die Augenbrauen hoch. »Haben Sie einen unserer Titel in den Charts gesehen? Natürlich nicht. Tristan hat keine besonders gute Arbeit geleistet.«
»Haben Sie ihn deswegen rausgeschmissen?«
»Nein, das war nicht der Grund.«
»Sondern?«
Er drückte nervös die Zigarette aus. »Meine Güte, Sie wollen es aber genau wissen. Ich brauche Ihnen das nicht zu erzählen, oder?«
»Nein. Es würde mir aber helfen. Und ich sage Ihnen eins: Wenn ich Sülzbach nicht finde, wird sich die Polizei der Sache annehmen. Und dann wird es vielleicht noch unbequemere Fragen geben.«
Er machte eine beschwichtigende Geste. »Es ist eher unangenehm für ihn, was da gelaufen ist. Nicht für mich. Ich habe mir nichts vorzuwerfen.«
»Dann können Sie es ja erzählen.« Ich nahm den Aschenbecher und streifte die Asche ab.
»Es ist eigentlich ganz einfach. Er hat an uns vorbeigearbeitet. Hat versucht, eigene Geschäfte zu machen, verstehen Sie?«
»Nicht ganz.«
»Sie haben doch eben hier die Aufnahmesession miterlebt.«
»Habe ich.«
»Wir nehmen Coverversionen von alten Hits auf und versehen sie mit christlichem Inhalt.« Er lehnte sich wieder zurück, und wie auf Kommando straffte sich der Spruch »We want Jesus« auf seinem Bauch. »Der Erfolg unserer Produktionen beruht aber nicht nur auf den interessanten, neuen Texten.« Er sah mich selbstbewusst an, und ich musste mich beherrschen, um ernst zu bleiben, wenn ich an den Huld-Schuld-Schmonzens dachte.
»Sondern?«, fragte ich.
»Wir machen ziemlich aufwändige Playbacks. Mit akustischen Instrumenten, also echten Streichern, echten Holz- und Blechbläsern. Ohne Synthesizer. Wir arbeiten mit Musikern aus verschiedenen Sinfonieorchestern zusammen. Die Arrangements sind verdammt teuer.«
»Ach, ja?«
»Allerdings.«
»Und weiter?«
»Tristan hat voriges Jahr auf der PopKomm in Köln für uns Marketing gemacht.«
»PopKomm? Ist das nicht diese Musikmesse?«
»Die größte der Welt«, stellte Gregor klar. »Da trifft sich alles, was im Musikbusiness Geschäfte machen will.«
»Und er hat
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