Rott sieht Rot
Ermittlungen ziemlich genau Bescheid weiß«, wandte ich ein. Ganz schön bedrohlich, dachte ich.
»Hätten Sie den Wagen nicht verfolgen können?«, fragte die Baronin, und ich erkannte in ihren Augen ein böses Funkeln. Das Vorspiel zu einer weiteren Versager-Arie?
»Mein Golf gegen einen Porsche? Bei dem Vorsprung?« Ich versuchte zurückzufunkeln. Sie seufzte.
»Ich verstehe nicht, warum Sie sich so gegen die Polizei sträuben. Das wäre im Moment das einzig Richtige.«
Sie schüttelte wieder den Kopf und nahm einen Schluck aus ihrem Weinglas.
»Versuchen Sie es ohne Polizei«, sagte sie. »Wenigstens bis zur Hochzeit. Ich will, dass Sie Tristan zurückbringen und die Sache am Samstag wie geplant stattfinden kann.«
»Das ist schon übermorgen«, stellte Jutta fest. »Das heißt - es ist schon Mitternacht durch. Die Hochzeit ist morgen.«
»Bis dahin wird die Polizei auch nicht weiterkommen«, sagte die Baronin. »Die finden bestenfalls das Auto. Aber wenn eine größere Sache dahinter steckt, wie Sie vermuten, wird der Porsche nicht gerade auf offener Straße herumstehen.«
»Sie meinen, entweder ist die Sache groß, dann hat die Polizei keine Chance. Oder die Sache ist auf andere Art schneller aufzuklären, dann kann ich es auch machen?«
Sie hob die Schultern. »Ja - so ähnlich.«
Sie wollte auf jeden Fall die Show am Samstag in der Kirche. Und das ohne Aufsehen. Dafür kalkulierte sie ein, dass ihr Ehemann, dem vielleicht etwas Schlimmes passiert war, nicht von der Polizei gesucht wurde. In mir entstand ein Gefühl von Abscheu. Gleichzeitig dachte ich an Svetlana. Was würde sie sagen, wenn ich ihr von der nächtlichen Begegnung auf dem Rastplatz erzählte?
»Es bleibt dabei«, legte die Baronin fest. »Keine Polizei.«
»Also gut«, sagte ich.
»Was willst du als Nächstes machen?«, wollte Jutta wissen.
»Morgen früh fahre ich nach Nümbrecht zu der Plattenfirma, bei der Tristan arbeitet. Etwas anderes bleibt mir nicht übrig. Und dann gibt es noch die Sache in dieser ominösen ›Kaisermühle‹. Ich denke, morgen Abend sind wir weiter.«
»Halten Sie mich unbedingt auf dem Laufenden«, sagte die Baronin. »Vielleicht stoßen Sie ja auf eine Information, bei der ich Ihnen irgendwie weiterhelfen kann.«
Das Übelkeitsgefühl wurde stärker. Ich trank hastig mein Glas aus und verabschiedete mich.
Zu Hause angekommen, rief ich die Auskunft an und fragte nach der Telefonnummer von Schneider oder Koroliow-Schneider in Kombination mit der Leverkusener Adresse. Fehlanzeige. Die Dame hatte keinen Eintrag im Telefonbuch.
12. Kapitel
Am nächsten Tag lag ein rauchiger Geruch in der Luft. Gelbe Blätter klebten am Straßenrand auf dem nassen Asphalt, der im Licht der matten Sonne glänzte. Als ich die Straße hinter dem Kiesberg-Tunnel zur Autobahn hinauffuhr, zog ein Flugzeug über den milchigen Himmel - offenbar im Landeanflug auf Düsseldorf.
Nach Nümbrecht zu fahren, bedeutete eine wahre Himmelfahrt. Am kürzesten wäre die Luftlinie gewesen, von Nord nach Süd durchs Bergische. Ich fuhr aber lieber um den heißen Brei herum und machte erst mal eine große Kurve über drei Autobahnen. So kam ich trotz Umweg schneller voran.
Ich hatte am Morgen bei Gregor-Records angerufen, um sicherzugehen, dass ich jemanden antraf. Von neun Uhr an hatte ich es immer wieder versucht. Um kurz nach halb zehn meldete sich endlich eine verschlafene Frauenstimme.
»Herrn Sülzbach können Sie hier leider nicht erreichen«, hieß es.
»Das habe ich mir gedacht. Aber vielleicht wissen Sie, wo ich ihn finden kann.«
Sie machte eine kleine Pause. Dann sagte sie: »Es ist besser, Sie reden mit dem Chef persönlich darüber.«
Nach ein bisschen Hin und Her entrang ich ihr die Information, dass der Chef, Herr Karl Gregor, voraussichtlich ab elf anwesend sei.
»Aber ich kann Ihnen nicht versprechen, dass er Zeit für Sie hat. Wir stecken mitten in einer Produktion.«
Sie gab mir die Adresse. Nümbrecht, Margeritenweg.
Als ich mich mit Hilfe des Straßenatlas »Bergisches Land und Sauerland« dorthin gearbeitet hatte, zeigte sich: Es war eine Wohngegend mit Eigenheimen. Manche waren noch nicht verputzt, aber offensichtlich schon bezogen, an anderen Stellen sollte das Familiennest noch aus dem Boden wachsen. Dort gähnten lehmige Baugruben.
Auf jeden Fall war es ein Kinderparadies. Auf den nagelneuen Terrassen lagen winzige Fahrräder und bunte Bälle herum; einmal musste ich einer ganzen Schar von
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