Rott sieht Rot
»Schneider, Schneider - ein Allerweltsname. Wer soll das sein?«
»Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall jemand, mit dem er Kontakt hatte.«
Gregor dachte noch eine Weile nach. Mir kam es so vor, als wollte er mir wirklich helfen. »Nie gehört.« Sein Gesicht hellte sich plötzlich auf. »Aber das ist doch des Rätsels Lösung«, sagte er. »Tristan hat einfach keine Lust auf seine Hochzeit gehabt. Er ist schlicht und ergreifend mit der Frau durchgebrannt. Darüber sollten Sie mal nachdenken.«
Fünf Minuten später war ich wieder im Wagen. Gregor hatte mir einen Packen seiner Musik geschenkt - ein paar CDs und Kassetten. Dann hatte er noch einmal beteuert, über eine gewisse Hanna Schneider nichts zu wissen. Auch die Blondine in dem Büro-Wohnzimmer konnte mit dem Namen nichts anfangen. Nur an eines konnte sie sich erinnern.
»Herr Sülzbach hat irgendwie ausgesehen, als er hier war. Irgendwie krank.«
»Was meinen Sie mit krank?«
»Seine gesunde Bräune war nicht mehr da. Er sah blass aus.«
*
Ich düste über die Autobahn und dachte über Verschiedenes nach. Zum Beispiel darüber, warum Tristan seine juristisch bereits angetraute Ehefrau und seine Geliebte über seine beruflichen Verhältnisse im Unklaren gelassen hatte. Und darüber, ob diese Hanna Schneider vielleicht eine weitere Nebenfrau war. Ich musste möglichst schnell an weitere Informationen kommen. Das Beste war, als Nächstes Sülzbachs Mutter einen Besuch abzustatten.
Ich kam in Remscheid an, suchte eine Telefonzelle, in der sich ein Telefonbuch befand, und schaute die »Sülzbach«-Eintragungen durch. Zu der Nummer, die ich auf dem Display von Sülzbachs Telefon gelesen hatte, gab es eine »Sülzbach, M.« Wohnhaft in Lennep, Thüringsberg. Ich klappte das Buch zu und machte mich auf den Weg zurück zum Wagen. Unterwegs klingelte mein Handy; es war Jutta. Ich nahm den Anruf an und ging dabei weiter.
»Agnes schläft noch«, sagte sie. »Sie hat ein Beruhigungsmittel genommen. Wie sieht’s bei dir aus?«
»Es ist alles ziemlich rätselhaft. Ich habe herausgefunden, dass euer toller Tristan eines nicht war - Manager in einer Plattenfirma.«
»Wie bitte?«
Ich fasste zusammen, was ich bei Gregor erfahren hatte.
»Vielleicht hat er sich geschämt, weil er seinen Job verloren hat«, mutmaßte Jutta. »Vielleicht traut er sich einfach nicht, die Hochzeit durchzuziehen. Vielleicht hat ihn jemand in der Hand und erpresst ihn.«
»Wie meinst du das denn?«
Ich kam am Wagen an, holte mit der linken Hand den Autoschlüssel hervor und öffnete etwas ungeschickt die Tür, während ich das Telefon weiter am Ohr hielt.
»Jemand weiß, dass Tristan seinen Job verloren hat. Er droht, es der Presse mitzuteilen. Und Tristan wäre gesellschaftlich am Ende.«
»Wer erpresst wird, verschwindet nicht. Und spielt das alles wirklich so eine große Rolle? Ob jemand bei einer Plattenfirma arbeitet oder nicht?«
»Armer Tristan. Arme Agnes. Streng dich bitte an, Remi. Es wäre schrecklich, wenn Agnes morgen dastünde, und der Bräutigam käme nicht.«
»Moment mal - will sie die Hochzeit tatsächlich durchziehen? Auch, wenn ich ihn nicht gefunden habe?«
»Was bleibt ihr denn übrig? Alles ist geplant. Alle Leute eingeladen. Hochrangige Leute. Vielleicht kommt er ja doch noch.«
Vor meinem geistigen Auge entstand eine Filmsequenz. Menschen in feinem Tuch stehen vor einer Kirche. Man geht hinein, nimmt Platz. Die Braut in festlichem Kleid trifft ein, und alles wartet auf den Bräutigam. Doch der taucht nicht auf. Die Braut erleidet einen Nervenzusammenbruch, und noch jahrelang spricht man von dem Skandal. Vor allem, wenn die Braut zukünftige Hochzeitspaare zu ihrer Kundschaft zählt.
Einerseits tat mir die Braut ein bisschen Leid, doch andererseits war da auch ein kräftiger Schuss Schadenfreude. Sollte die Hochzeit doch platzen, was kümmerte es mich. Aber wenn sie nicht platzte, wenn es mir tatsächlich gelang, Sülzbach vor den Traualtar zu bringen - dann wäre er sicher auch für Svetlana gestorben. Was auch nicht so schlecht war …
»Bist du noch dran?«, fragte Jutta und holte mich in die Wirklichkeit zurück.
Und die Wirklichkeit sah so aus, dass ich einen Fall zu lösen hatte, der Stück für Stück geheimnisvoller wurde.
»Ich tue, was ich kann«, versprach ich.
13. Kapitel
Dunkelgraue Schieferfassaden, weiße Fensterrahmen, die Türen und Läden grün gestrichen: So bekommt man das typisch bergische Haus in Reiseführern und Bildbänden
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