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Rott sieht Rot

Rott sieht Rot

Titel: Rott sieht Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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nächsten Rennwagen an. Er war leuchtend rot. Auf der Kühlerhaube bewegten sich in einer Spiegelung die fahrenden Autos von der Straße.
    »Sehen Sie, Herr Liblar - da habe ich ganz andere Informationen.«
    Er riss die Augen auf. Dann blickte er an mir vorbei. Ich wandte den Kopf. Die Glastür öffnete sich, und ein Kunde betrat den Raum. Es war ein junger Mann; er hätte glatt ein Bruder des Verkäufers sein können, der mich vorhin empfangen hatte.
    »Einen Moment«, sagte Liblar zu mir und holte Müller, der sich um den Kunden kümmerte.
    Liblar kam zurück, und wir gingen näher an den roten Porsche heran. »Ich habe nicht viel Zeit, Herr Rott«, erklärte er. »Gleich kommt noch ein Kunde, der eine Probefahrt vereinbart hat.«
    Ich öffnete die Fahrertür. »Mit diesem Wagen zufällig?«, fragte ich und glitt in das weiche Leder. Liblar ging nervös um das Auto herum und setzte sich neben mich. Durch die Windschutzscheibe und die riesige Glasfront hatte man einen Panoramablick auf die Lenneper Straße, auf der unablässig der Verkehr floss. Mir wurde klar, dass man wenig davon hatte, mit einem solchen Renner dort entlangzupreschen. Bei der Fahrzeugdichte war man auch nicht schneller als mit meinem Golf.
    »Wo waren wir stehen geblieben?«, fragte ich. »Ach ja: Sehen Sie - nach meinen Informationen hat Tristan Sülzbach in diesem Autohaus nicht als einfacher Verkäufer gearbeitet, sondern er hat es geleitet. Er war der Chef. Wie Sie heute. Er war damit Ihr direkter Vorgänger. Das müssten Sie doch wissen.«
    Liblar legte die Hände auf das Armaturenbrett und seufzte. »Ja, natürlich weiß ich das. Aber er war eben sehr kollegial; das habe ich damit gemeint. Was wollen Sie eigentlich? Wenn Sie Herrn Sülzbach suchen - hier ist er nicht. Wenn er sich vor Ihnen versteckt, kann ich auch nichts dafür. Was hat er denn schon wieder ausgefressen?«
    »Schon wieder? Wieso schon wieder?«
    »Nichts. Nur so«, sagte er schnell.
    »Das glaube ich nicht. Sagen Sie mir, was los war.«
    Liblar rang nach Worten, brachte aber nichts hervor.
    »Warum leiten Sie heute das Autohaus? Warum nicht er?«
    »Er hat den Laden fast in die Pleite getrieben«, sagte Liblar. »Ich habe ihm damals praktisch den Kopf gerettet, indem ich die Firma übernahm.«
    »Ist er ein so schlechter Geschäftsmann?«
    »Na, Sie haben ihn doch auch wegen eines Außenstandes auf dem Kieker. Oder etwa nicht?«
    »Das ist richtig. Und so viel kann ich Ihnen sagen: Da steckt eine Sache dahinter, die ganz schnell Wellen schlagen kann. Wellen, die auch dieses Geschäft erreichen könnten, um im Bild zu bleiben.«
    »Was?«
    Ich setzte noch einen drauf. »Muss ich deutlicher werden?«
    Liblar war blass geworden und starrte vor sich hin.
    »Beantworten Sie mir einfach eine Frage. Warum treffe ich Herrn Sülzbach hier nicht mehr an? Das kann doch nicht so schwer sein.«
    »Er ist an einem Betrug gescheitert«, fing Liblar an. »Heißt es zumindest.«
    »Welche Art von Betrug?«
    »Dazu kann ich nichts sagen.«
    »Warum nicht? Weil ein Autoverkäufer dem anderen kein Auge aushackt?«
    »Ich frage mich, warum Sie das alles überhaupt noch mal aufwärmen …«
    »Wie kann man denn ein Autohaus erfolgreich betrügen? Wurde etwas gestohlen?«
    »Das sollten Sie als Mitarbeiter einer Inkassofirma eigentlich wissen.«
    »Wie ist es gelaufen? Sagen Sie schon.«
    »Im Grunde ist nur eine Variante möglich. Man muss ihn dazu gebracht haben, Fahrzeuge zu übergeben, die nicht bezahlt waren. Und die auch nicht bezahlt wurden.« Er machte eine Pause. Offenbar dachte er über etwas nach. Dann sagte er: »Ich verstehe nicht, warum Sie Sülzbach mit solchem Aufwand suchen müssen.«
    »Wieso?«
    »Die ganze Stadt weiß, dass er morgen heiratet. Sie brauchen nur hinzugehen, und dann haben Sie ihn. Obwohl es natürlich nicht gerade die feine Art ist, Zahlungsbefehle am Hochzeitstag zu überbringen. Aber Job ist auch bei Ihnen sicher nun mal Job.«
    Ich packte das Lenkrad und spürte das weiche Leder. Dann riss ich mich los. Wir stiegen aus und gingen zurück zur Eingangstür. Mittlerweile saßen Müller und der Kunde in einem anderen Porsche und genossen ebenfalls die Aussicht auf den zähen Verkehr.
    »Sagen Sie mir jetzt noch, weshalb genau Sie Sülzbach suchen?«
    Ich drehte mich um. »Berufsgeheimnis. Wie Sie schon sagten: Job ist Job.«
    Ich setzte mich in den Golf und empfand die Atmosphäre darin als stinkend, verbraucht und unangenehm. Ich sah auf die Uhr neben dem Tacho.

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