Rott sieht Rot
»Wir haben ja noch eine gemeinsame Bekannte aus Studientagen. Hanna Schneider. Vielleicht hat Tristan von ihr erzählt.«
»Hanna Schneider?«
»Leider habe ich Hannas Adresse verloren, und ich wollte sie eigentlich auch besuchen. Sie wissen nicht zufällig, wo sie wohnt oder was sie heute macht?«
Margit Sülzbach schüttelte den Kopf. »Nein … den Namen habe ich noch nie gehört.«
Ich verabschiedete mich höflich und ging. Frau Sülzbach war kurz angebunden. Offenbar nahm die alte Dame meine Unterstellung, ihr Sohn habe sich Jahrzehnte zuvor mit anderer Musik als der von Wagner beschäftigt, immer noch übel. Ihr Lächeln war verschwunden; sie war wohl froh, mich los zu werden.
Als ich den Wagen anließ, fragte ich mich, ob in diesem Spiel wirklich alle von demselben Tristan Sülzbach sprachen.
*
Das Autohaus, das Margit Sülzbach gemeint hatte, war schon von weitem zu sehen. Es lag an der Lenneper Straße und machte nicht nur mit einer ganzen Batterie teurer Benzinkutschen, sondern auch mit fröhlich wehenden Flaggen auf sich aufmerksam. Über dem Gebäude war ein fetter Schriftzug zu erkennen: »Porsche Liblar GmbH«.
Ich bog auf den Parkplatz ein und sorgte mit meinem schmutzigen Golf inmitten all der Pracht für einen gesunden Kontrast. Ich bahnte mir einen Weg durch die Gebrauchtwagen, deren Preise auf breiten, weißen Schildern hinter den Windschutzscheiben zu lesen waren, und betrat den Verkaufsraum. Hier standen die Flitzer in allen Farben herum. Kein Stäubchen störte den Glanz der Karosserien. Es roch nach nagelneuem Gummi.
Ich ließ meinen Blick ein Weilchen über die Herrlichkeiten gleiten und versank kurz in einen Tagtraum, in dem ich mit einem solchen Geschoss durch das Bergische Land düste. Beruflich gesehen war es natürlich Unsinn, einen Porsche zu benutzen, er war viel zu auffällig. Aber hin und wieder wollte man ja auch seine Freizeit genießen …
»Kann ich Ihnen helfen?«, sagte eine Männerstimme hinter mir, und ich drehte mich um. Der Verkäufer in dunklem Anzug hatte sich lautlos angeschlichen.
»Das ist ja eine Augenweide«, sagte ich, und der Mann lächelte. Es wirkte allerdings nicht freundlich, sondern eher abschätzig.
»Interessieren Sie sich für ein bestimmtes Modell?«, fragte er.
»Ich bin nicht gekommen, um ein Auto zu kaufen«, erklärte ich. »Ich bin beruflich hier.«
Er zog eine Augenbraue hoch.
»Mein Name ist Rott. Von der Firma Merkur Inkasso. Ich bin auf der Suche nach Herrn Tristan Sülzbach.«
Die Augenbraue wanderte noch ein Stück höher. »Da müssten Sie mit Herrn Liblar persönlich sprechen.« Er bat mich, einen Moment zu warten.
Der Verkäufer verschwand, und nach einer Weile erschien ein älterer Herr mit Vollbart und hielt mir die Hand hin. »Liblar«, stellte er sich vor. »Und Sie sind Herr …«
»Rott.«
»Ach ja, Herr Müller erwähnte den Namen bereits.« Er breitete die Arme aus. »Sie sind auf der Suche nach Herrn Sülzbach?«, fragte er.
Ich nickte. »Das hatte ich Herrn Müller gesagt.«
»Tja … Herr Sülzbach ist nicht hier«, sagte er und lächelte heiter, als sei mit seiner Aussage jede Unklarheit vom Tisch.
»Was hat er mit Ihrer Firma zu tun?«, wollte ich wissen.
Er sah mich misstrauisch an. »Von welchem Unternehmen sind Sie doch gleich?«
»Merkur Inkasso in Ludwigsburg.« Ich hoffte, Ludwigsburg war weit genug entfernt, damit Liblar nicht auf die Idee kam, dass es eine solche Firma gar nicht gab. »Wie Sie sich denken können, geht es um eine finanzielle Angelegenheit.«
»Tja«, sagte er und hob erneut die Arme. »Ich weiß nicht, wie ich Ihnen helfen soll. Warum gehen Sie nicht zu Herrn Sülzbach und sprechen mit ihm persönlich? So viel ich weiß, wohnt er noch in Remscheid.«
»Das ist aus bestimmten Gründen unmöglich.«
Er sah plötzlich erschrocken aus. »Was heißt das?«
»Er entzieht sich der Kontaktaufnahme«, sagte ich amtlich. »Ich habe aber erfahren, dass er hier gearbeitet hat. Ich denke, Sie können mir einen Tipp geben.«
»Ich habe Sülzbach seit Jahren nicht gesehen. Da haben Sie leider Pech.« Liblars Schreck war noch nicht aus seinem Gesicht gewichen. Wenn ich mich nicht sehr täuschte, wollte er unbedingt wissen, was mit Sülzbach los war. Das musste ich ausnutzen.
»Sie haben zusammengearbeitet, bevor er dieses Haus verließ und bevor Sie es übernahmen?«
»Ja, das kann man so sagen. Kollegen eben.«
Ich ging ein paar Schritte über den glatten Fliesenboden und peilte den
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