Rott sieht Rot
Mir blieben noch vierundzwanzig Stunden Zeit, um Tristan Sülzbach zu finden.
*
Ich blieb eine Weile sitzen und dachte darüber nach, was meine Ermittlungen bis jetzt ergeben hatten.
Die Baronin und Sülzbach führten eine merkwürdige Ehe - so viel war schon mal klar. Und Sülzbach führte auch ein merkwürdiges Leben. Niemand wusste genau, was er beruflich machte. Noch nicht einmal seine Ehefrau, und seine Geliebte auch nicht.
Dass er seiner Mutter die Tätigkeit bei dieser Musik-Klitsche verschwieg, hatte einen einfachen Grund. Die alte Dame hielt nichts davon, dass er sich mit anderer Musik als mit Opern befasste. Ich fand es für einen Mann von über vierzig zwar seltsam, dass er noch so unter der Fuchtel seiner Mama stand, aber so etwas sollte es ja geben. Warum hatte er aber der Baronin verschwiegen, dass er den Job verloren hatte? Weil er dann nicht mehr als der so genannte Manager dagestanden hätte, folgerte ich. Das passte zumindest zu dem verlogenen Verhältnis der beiden.
Der nächste Punkt war der Betrug, der Sülzbach sein Autogeschäft gekostet hatte. Was war da genau passiert? Konnte es sein, dass jemand Sülzbach zum Beispiel die Rubine angedreht hatte, dafür einen Wagen bekommen hatte und damit verduftet war? Sülzbach hatte sich durch das Gutachten vielleicht blenden lassen und musste dann feststellen, dass die Rubine einen viel geringeren Marktwert hatten, als in dem Papier stand.
Aber von einem verschenkten Wagen geht kein Laden pleite, widersprach ich mir. Andererseits: Die Rubine hatten einen angeblichen Wert von zweihunderttausend Euro - das war nicht ein Wagen, das waren vier. Oder wenigstens zwei oder drei. Je nach Typ und Ausstattung.
Alles gut und schön. Aber was konnte das alles nun mit Sülzbachs Verschwinden zu tun haben? Und wie passte das zu dem Erlebnis auf dem Autobahnparkplatz ?
Und dann Svetlana. Sobald ich an sie dachte, zog etwas in meiner Brust.
Ich versuchte es zu ignorieren und mir ein klares Bild zu machen. Wenn du nicht in sie verknallt wärst, fragte ich mich, wie würdest du sie in deinen Ermittlungen behandeln?
Ein kleines Stimmchen in mir brachte die wildesten Spekulationen hervor. Svetlana war ein russischer Name. Sie hatte etwas von russischen Vorfahren erzählt. Russen waren in der Leverkusener Wohnung gewesen.
Diese Verbindung war natürlich an den Haaren herbeigezogen, aber das Stimmchen protestierte und wandte ein, dass ich Svetlana zumindest überprüfen müsste. Sie war diejenige, die mich in den Fall hineingezogen hatte. Sie hatte den Laden der Baronin versaut, und vielleicht schreckte sie auch vor anderen Dingen nicht zurück. Sie hatte fast einen Nervenzusammenbruch erlitten, als Sülzbach sie verließ. Aber hatte sie ihn deswegen gleich auf dem Gewissen?
Warum nicht? Das Stimmchen wurde lauter. Sie war so lange verdächtig, bis das Gegenteil bewiesen war. Wozu war das Mädchen fähig? Wie war sie mit der Trennung von Sülzbach umgegangen? Ich konnte es nicht wissen, weil ich zu Hause in meiner Bude herumgehangen, von Erbsensuppe und Bier gelebt und nonstop in die Glotze gestarrt hatte. Aber was hätte ich tun sollen? Für mich war der Fall abgeschlossen gewesen …
»Ich kann mich jetzt nicht um Svetlana kümmern«, sagte ich laut, um die Geister, die da erschienen waren, zu verscheuchen. Ich musste mich auf die Spur konzentrieren, die mir noch blieb.
Alles hatte damit angefangen, dass Sülzbach die Halterin eines roten Autos suchte. Hanna Schneider. Sie musste ich treffen. Und es gab nur eine Chance. Ich musste zu dieser »Kaisermühle«.
Ich steckte den Zündschlüssel ins Schloss und ließ den Motor an. In diesem Moment klingelte mein Handy. Ich besaß immer noch keine Freisprechanlage, also würgte ich den Wagen wieder ab und meldete mich.
»Du bist überfällig, Remi. Du wolltest mir doch erzählen, wie es gelaufen ist.« Es war Svetlana; sie wirkte aufgeregt.
»Nichts ist gelaufen. Ich habe ihn nicht gefunden.«
»Aber du warst doch in Nümbrecht, oder nicht? Haben die nichts sagen können? Ob er vielleicht auf Dienstreise ist? Ich halte das nicht mehr lange aus. Heute Nacht hatte ich so schreckliche Träume …« Sie brach in Tränen aus.
Meine Bedenken, die mir eben noch durch den Kopf gegangen waren, lösten sich in Luft auf. Svetlana hatte nie und nimmer etwas mit Sülzbachs Verschwinden zu tun. Und den schwarzen Porsche fuhr sie bestimmt auch nicht. Falls sie überhaupt einen Führerschein besaß.
Sie schluchzte leise vor
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