Rotzig & Rotzig
löste den Kinnriemen.
„Leyla Muller! Leyla Muller!“ Jetzt war es sogar zu verstehen. Der Schalter machte klack, und ich nahm wieder Platz in dem Stuhl, festgeschnallt wie eh und je. „Leyla Muller! Leyla Muller!“
Peelaert streifte ruckartig Mundschutz und Kittel ab, warf sich einen Mantel über und stürmte aus dem Raum.
„You and you“, befahl Reiff den beiden Bodyguards, „help me take him upstairs.“ Und er wollte die Schnallen meiner Fixierung lösen.
„No, no“, stoppte ihn Onkel Ali lächelnd. Klack machte der Schalter, und der Bohrer sirrte auf. „Just a second. Let me have a go.“
Doch Reiff griff rüber, schaltete das sirrende Monster ab, und ich war mir sicher, ich würde ihn dafür für immer lieben. Für immer und ewig. Sie mussten mir unter die Schultern greifen, meine Knie wollten mich nicht tragen. Die gesamte linke Hälfte meines Kopfes schrie gellend auf mich ein. Mein linkes Ohr war taub davon, mein linkes Auge wie blind. Schwuli und Shaky stützten mich, führten mich, und ich ging mit, tapsenden, widerstandlosen Schrittes. Ich hatte Leyla verraten. Und Heckenpennes. Nichts und niemand konnte mich jetzt noch retten, nicht mal vor mir selbst.
Sie schleiften mich aus dem Bunker, die Treppen hoch und in die Kellerbar, einen unglaublich scheußlichen Raum, bis die Wände hoch in Braun und Rot gefliest, der Rest dunkles Eichenholz und Leder, Jagdtrophäen und rings ums Thema Saufen gestaltete Bleiverglasungen.
„Hierhin.“ Reiff wies auf einen Stuhl, die beiden Bodyguards setzten mich darauf ab. „Tape him to the chair. I go and get someone.“
Ich wollte auf keinen Fall erneut fixiert werden und stemmte mich hoch, doch die beiden Muskelmänner reagierten sofort und entschlossen. Soldaten halt. Befehl ist Befehl.
Keine zwei Minuten später hatten sie mir die Unterarme und die Fußknöchel mit Paketklebeband an Armlehnen und Stuhlbeine gefesselt.
Onkel Ali gluckste die ganze Zeit vor sich hin. Er schien das alles enorm unterhaltsam zu finden. Mit unendlicher Behutsamkeit pflanzte er seinen Hintern auf einen der dick gepolsterten Barhocker und sah den weiteren Ereignissen mit einer Miene freudiger Erwartung entgegen.
Ich war fertig, ich wusste es. Sie hatten mich zum Reden gebracht, jetzt mussten sie mich nur noch zum Schweigen bringen. Die Lähmung meiner Gesichtshälfte schien sich auf die gesamte linke Körperseite übertragen zu wollen, und das Gefühl, ein Versager und ein Verräter zu sein, lähmte den ganzen Rest. Gleichzeitig raste mein Puls vor Angst und einem geradezu manischen Hass. Dieser ganze Cocktail aus Schmerz und weder zu bändigenden noch in irgendeiner Form auszulebenden Emotionen ließ den Wunsch nach Erlösung aufkommen, ein Wunsch, der rasch zu einem Sehnen anschwoll, das sich dann nicht mehr unterdrücken ließ. Andere Männer in ähnlichen Situationen mögen sich in den Schoß ihrer Mutter zurückwünschen oder ihren jeweiligen Gott um Beistand anflehen. Doch ich, ich sehnte mich, mit einer Abruptheit und Intensität, dich mich völlig überraschte, nach Heroin. Reiff kam zurück, in Begleitung des Negerjungen mit den permanent erstaunten Augen. Ein langer, schmaler Schlacks von vielleicht vierzehn Jahren, in einem hellblauen Pyjama mit viel zu kurzen Ärmeln und Hosenbeinen.
„Warte einen Moment“, sagte Reiff auf seine väterliche Art zu ihm, „du kannst gleich wieder ins Bett.“ Der Junge blieb stehen und sah mich an. Wissend. Wie ein Verurteilter einen anderen. Ein Blick voll düsterster Vorahnung, voll Trostlosigkeit.
Reiff nahm einen schweren Kristallaschenbecher vom Tresen, trat an einen Schrank mit bunt verglaster Front und hämmerte den Ascher kurz entschlossen in die Scheibe. Splitter fielen und eine ordentliche Reihe Jagdgewehre wurde sichtbar. Reiff bückte sich, griff in den Schrank und kam mit einem Hülster wieder hoch, dem er eine schwere mattschwarze Pistole entnahm. Und einen Schalldämpfer. Ich schluckte trocken. „Ahmed“, sagte Reiff ernst und eindringlich, während er den Dämpfer auf den Lauf schraubte, „dieser Mann“, er zeigte auf mich, „ist in unser Haus eingebrochen, in dein Zimmer gekommen, hat dich in den Keller geschleift und versucht, dich zu missbrauchen. Du konntest dich losreißen, hast den Aschenbecher in das Fenster des Waffenschranks geworfen, dir diese Pistole geschnappt und dich zur Wehr gesetzt, wie du es im Sudan gelernt hast. Okay? Dann mach!“ Und er drückte dem Knaben die Waffe in die schmalen
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