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Rotzig & Rotzig

Rotzig & Rotzig

Titel: Rotzig & Rotzig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Finger. „Damit kommen Sie nicht durch“, krächzte ich. Meine Stimmbänder waren nur noch aufgeriebene Fasern. „Außer, Sie bringen auch den Jungen anschließend um.“
    Reiff sah mich kalt an. „Der Junge hat keine Zunge mehr, Kryszinski. Er ist Analphabet und tut alles, was ich ihm sage.“
    „Weil er Ihnen vertraut, Reiff.“
    „Genau. Los, Ahmed, töte ihn. Er hat's verdient, glaub mir. Und einer mehr oder weniger ist dir doch egal, oder?“
    Ahmed schluckte.
    Ich sagte nichts mehr, starrte nur noch. Hier ging es nicht länger um mich, ich war jetzt schon Vergangenheit. Hier ging es nur noch um den Jungen, und was sie ihm antaten. Ahmed blickte auf die Waffe in seinen Händen, schüttelte den Kopf, legte die Pistole vorsichtig auf der Theke ab. Direkt vor Onkel Ali. Der verlor abrupt die Geduld. Wütend, giftig wie ein verwöhntes Blag, dem man etwas vorenthält, eine versprochene Belohnung etwa, schnappte er sich die Pistole, sprang von seinem Hocker, schrie in Arabisch auf den Jungen ein, und als der sich weiter weigerte, packte er ihn am Kragen seiner Schlafanzugjacke und hielt ihm die Waffe an die Stirn.
    Und Ahmed fiel in eine Art von Trance. Er schloss die Augen und legte den Kopf auf die Seite, als ob er versuchte, einer fernen Melodie zu lauschen. Ali grapschte nach einer Serviette, wischte die Pistole damit ab, fasste sie, eingewickelt in das Tuch, am Schalldämpfer und drückte sie dem Jungen erneut in die Hand. Ohne Kopf oder Lider zu heben lud Ahmed durch, schnickte den Sicherungshebel herum, packte den Pistolengriff beidhändig, schmiegte den Zeigefinger um den Abzugsbügel, brachte ruckartig die Beine in eine Art von Ausfallschritt, streckte Kreuz und Arme durch. Dann erst nahm er den Kopf hoch, schlug die Augen auf und konzentrierte seinen Blick auf mich. Sein Atem ging stoßweise, Speichelblasen bildeten sich in seinen Mundwinkeln. Die riesigen Augen waren zwar auf mich fokussiert, schienen dabei aber ohne jede Wahrnehmung zu sein, wie tot. Die Augen eines Zombies.
    Die Waffe war nun scharf. Er hob sie bedächtig. Ein winziger Druck seines schmalen Zeigefingers würde mir jetzt jeden Augenblick ein Loch in den Balg stanzen, ins Schienbein, Knie, in den Oberschenkel, das Becken, den Bauch, die Brust, den Hals, das Gesicht, die Stirn. Ich saß ganz still, atmete kaum, starrte nur in morbider Faszination und Fassungslosigkeit. Ahmed zögerte.
    Onkel Ali brüllte ein scharfes arabisches Kommando, und er und Reiff machten jeweils einen Schritt zurück. Der Junge atmete panisch, die Waffe in seinen ausgestreckten Händen aber zitterte nicht, blieb völlig ruhig, unbeirrbar, während Ahmed Pupille, Kimme, Korn und Schalldämpfer in eine Linie brachte. Bevor er die Waffe plötzlich herumriss und sie sich, Mündung voran, in den offenen Mund stieß. Eine tiefrote Fontäne sprühte von seinem Hinterkopf hoch, gefolgt von einem Schwaden blassen Rauchs. Und Ahmed fiel in sich zusammen, mit dieser unglaublichen Gleichgültigkeit, für die es nur eine Erklärung gibt. An das Geräusch des Schusses habe ich keine Erinnerung, doch das harte, dumpfe Schmatzen, mit dem der Kopf des Jungen auf die Fliesen schlug, wird mir für immer im Gedächtnis bleiben.
    Keiner sagte ein Wort. Reiff, Onkel Ali, seine beiden Bodyguards, alle standen herum wie angewachsen und stierten.
    Der Aufzug summte, verstummte, die Tür ging auf, und Leyla wurde herausgestoßen, in Handschellen, geknebelt, die Augen groß, voller Furcht und Verwirrung. Etwas wie ein Messerstich durchfuhr mich bei ihrem Anblick. Peelaert schob sie vor sich her, seine Hand in ihren Arm verkrallt. Er schnüffelte, roch das Kordit, suchte unwillkürlich Deckung hinter Leyla, und erblickte dann erst den am Boden liegenden Ahmed, die seiner Hand entglittene Pistole und die immer weiter anwachsende Lache von Blut rings um seinen Kopf. Peelaert trat vor und fluchte. „Gottverdammte Amateure“, wetterte er und riss damit auch die anderen aus ihrer Erstarrung. Reiff drehte sich zu ihm um, sah die gefesselte Leyla und schlug sich wütend vor die Stirn. „Was soll das denn werden?“, herrschte er Peelaert an. „Wozu um alles in der Welt bringen Sie denn die hierher? Habe ich nicht schon genug am Hals?“
    „Ja, wohin sollte ich sie denn sonst bringen?“, brüllte Peelaert zurück. „Vielleicht zum Commissariat?“ Reiff schnaubte, wandte sich dann an die beiden Bodyguards, zeigte auf Leyla, auf mich. „Hold her, cut him loose“, befahl er. „We take

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