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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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daran, und Herr von Malesherbes hat sich sogar, als er von meinem Wahne hörte, die Mühe gegeben, mir den Einwurf zu machen; aber in Folge eines andren Unverstandes bei einem Manne, der aus der Tiefe seiner Zurückgezogenheit über in Geheimnis gehüllte wichtige Staatsangelegenheiten, von denen er nichts versteht, urtheilen will, war es mir unmöglich zu glauben, daß die Jesuiten wirklich in Gefahr waren, und ich betrachtete das Gerücht, das sich darüber verbreitete, als eine von ihrer Seite angewandte List, um ihre Widersacher einzuschläfern. Ihre früheren Erfolge, die unbestritten waren, gaben mir eine so furchtbare Vorstellung von ihrer Macht, daß ich schon die Demüthigung des Parlaments beklagte. Ich wußte, daß Herr von Choiseul bei den Jesuiten studirt hatte, daß Frau von Pompadour ihnen nicht übel wollte, und daß ihr Bündnis mit den Günstlingen und Ministern stets beiden Theilen gegen ihre gemeinsamen Feinde vortheilhaft erschienen war. Der Hof schien sich in nichts zu mischen, und überzeugt, daß, wenn auch die Gesellschaft Jesu dereinst einen harten Stoß erhalten sollte, doch das Parlament nie stark genug sein würde, ihn ihr zu versetzen, schloß ich aus dieser Unthätigkeit des Hofes auf den guten Grund ihrer Zuversicht und erblickte darin ein Vorzeichen ihres Triumphes. Kurz, da ich in allen Tagesgerüchten nur von ihnen angewandte List und gelegte Schlingen sah und überzeugt war, daß sie in ihrer Sicherheit Zeit hatten, sich mit allem zu befassen, so zweifelte ich nicht, daß sie in kurzem den Jansenismus, das Parlament, die Encyklopädisten und alles, was sich ihrem Joche nicht gefügt hatte, vernichten würden, kurz, daß, wenn sie mein Buch erscheinen ließen, es nicht eher geschehen würde, als bis sie es zu einer für sie tauglichen Waffe umgestaltet hätten, indem sie meinen Namen zur Täuschung ihrer Leser benutzten.
    Ich fühlte mich todtkrank; es ist mir schwer faßlich, wie diese Thorheit mir nicht vollends den Rest gab, so furchtbar war mir der Gedanke, daß nach meinem Tode mein Andenken gerade durch mein würdigstes und bestes Buch entehrt werden sollte. Nie habe ich mich so sehr zu sterben gefürchtet, und ich glaube, wäre ich unter diesen Verhältnissen gestorben, hätte ich in Verzweiflung meine Augen zugedrückt. Selbst heute, wo ich die schwärzeste, schändlichste Verschwörung, die je gegen das Gedächtnis eines Mannes angezettelt worden ist, widerstandslos auf ihr Ziel losgehen sehe, werde ich viel ruhiger sterben, sicher, in meinen Schriften ein Zeugnis über mich zu hinterlassen, welches früher oder später über die Verschwörungen der Menschen triumphiren wird.

1762
    Zeuge und Vertrauter meiner Aufregung gab sich Herr von Malesherbes zu ihrer Beruhigung eine Mühe, die seine unerschöpfliche Herzensgüte beweist. Frau von Luxembourg wirkte zu diesem guten Werke mit und begab sich mehrere Male zu Duchesne, um sich zu erkundigen, wie es mit dem Drucke stände. Nun gut, er wurde wieder aufgenommen und ging schneller vor sich, ohne daß ich je erfahren hätte, weshalb er eingestellt war. Herr von Malesherbes ließ es sich nicht verdrießen, selbst nach Montmorency zu kommen, um mich zu beruhigen, und da mein vollkommenes Vertrauen in seine Redlichkeit den Sieg über die Verirrung meines armen Kopfes davon trug, wurde alles, was er that, um mich von ihr zurückzubringen, von Erfolg gekrönt. Nach dem, was er von meinen Aengsten und meinem Wahnsinn gesehen, mußte er mich natürlich sehr bedauernswerth finden; er that es auch. Das abgedroschene Gesalbader der philosophischen Sippschaft, die ihn umgab, fiel ihm wieder ein. Als ich auf der Eremitage für mich allein leben wollte, verkündeten sie, wie gesagt, ich würde es nicht lange aushalten. Als sie sahen, daß ich doch aushielt, sagten sie, es geschähe aus Halsstarrigkeit, aus Stolz, aus Scham, mein Wort zurückzunehmen, aber ich langweilte mich zum Sterben und lebte dort höchst unglücklich. Herr von Malesherbes glaubte es und schrieb es mir. Empfindlich über diesen Irrthum bei einem Manne, vor dem ich so große Achtung hegte, schrieb ich hinter einander vier Briefe an ihn, in denen ich unter Auseinandersetzung der wahren Gründe meines Auftretens getreulich meinen Geschmack, meine Neigungen, meinen Charakter und alle Regungen meines Herzens schilderte. Diese vier, so schnell wie die Feder lief ins Reine geschriebenen und nicht einmal wieder durchgelesenen Briefe sind vielleicht das Einzige, was ich je in

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