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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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eine schöne Stimme, spielte Orgel und Klavier. Es bedurfte nicht so viel, um gesucht zu werden, er war es in hohem Grade; allein dessenungeachtet setzte er seine Berufspflichten so wenig außer Augen, daß es ihm trotz sehr eifersüchtiger Mitbewerber gelang, zum Definitor seiner Provinz, oder wie man zu sagen pflegt, zu einer der großen Ordensketten gewählt zu werden.
    Dieser Pater Caton machte bei dem Marquis von Antremont Mamas Bekanntschaft. Als er von unsren Concerten reden hörte, hatte er Lust, darin mitzuwirken; er that es und machte sie glänzend. Durch unsere gemeinsame Lust zur Musik, die bei uns beiden zur heftigen Leidenschaft geworden, freilich mit dem Unterschiede, daß er in Wahrheit ein Musiker und ich nur ein Pfuscher war, wurden wir bald befreundet. Wir fingen an, mit Canavas und dem Abbé Palais auf seinem Zimmer Musik zu treiben und an Festtagen zuweilen an seiner Orgel. Wir theilten oft sein dürftiges Mahl, denn eigentümlicherweise war er für einen Mönch auch noch freigebig, gastfreundlich und der Sinnenlust ergeben, wenn auch nicht der groben. An den Concerttagen nahm er mit uns das Abendbrot bei Mama ein. Diese Abendessen waren sehr heiter und angenehm; man plauderte zwanglos und sang Duette. Ich fühlte mich während derselben überglücklich, hatte Geist und sprühte vor Witz, der Pater Caton war bezaubernd, Mama anbetungswürdig, und der Abbé Palais mit seiner Ochsenstimme das allgemeine Stichblatt. Ihr süßen Augenblicke jugendlicher Thorheit, wie lange seid ihr verschwunden!
    Da ich nicht mehr Gelegenheit haben werde, von diesem armen Pater Caton zu reden, will ich hier in wenigen Worten seine traurige Geschichte bis ans Ende erzählen. Die anderen Mönche, eifersüchtig oder vielmehr wüthend, an ihm viel Verdienstliches und eine Feinheit der Sitten wahrzunehmen, die nichts von klösterlicher Völlerei an sich hatte, faßten Haß gegen ihn, weil er nicht so hassenswerth war wie sie. Ihre Häuptlinge verbündeten sich gegen ihn und wiegelten die Mönchlein auf, die ihn um seine Stellung beneideten und früher nicht gewagt hatten, die Augen zu ihm aufzuschlagen. Man beleidigte ihn auf tausenderlei Weise, man setzte ihn ab, man entzog ihm sein Zimmer, welches er geschmackvoll, wenn auch einfach ausgestattet hatte; man verwies ihn, ich weiß nicht wohin; kurz, diese Elenden überhäuften ihn mit so vieler Schmach, daß seine redliche und mit Recht stolze Seele dem nicht zu widerstehen vermochte, und nachdem er die Freude und Würze der liebenswürdigsten Gesellschaft gewesen war, starb er vor Gram auf einem elenden Bette, in irgend einer dunklen Zelle oder einem Gefängnisse, von allen ehrlichen Leuten, die ihn gekannt und keinen andern Fehler an ihm entdeckt hatten, als daß er Mönch war, betrauert und beweint.
    Unter diesen einfachen Lebensverhältnissen kam es mit mir in kurzer Zeit so weit, daß ich, von der Musik völlig in Anspruch genommen, außer Stande war, an etwas anderes zu denken. Ich ging nur noch mit Unlust auf mein Bureau; der Zwang daselbst und das unaufhörliche Sitzen bei der Arbeit waren für mich eine unerträgliche Qual, und ich trug mich endlich mit der Absicht, mein Amt aufzugeben, um mich ganz der Musik zu widmen. Man kann sich denken, daß diese Thorheit auf Widerstand stieß. Aus einer anständigen Stellung mit einem festen Einkommen zu scheiden, um hinter ungewissen Schülern herzulaufen, war ein zu unverständiger Entschluß, um Mama gefallen zu können. Selbst wenn man meine Aussichten für so vortheilhaft hätte annehmen können, wie ich sie mir einbildete, so lag darin doch immer eine arge Beschränkung meines Ehrgeizes darin, wenn ich mich für mein ganzes Leben mit dem Stande eines Musikers begnügen wollte. Sie, die sich immer nur mit großartigen Entwürfen trug und mich nicht mehr völlig nach dem Gutachten des Herrn von Aubonne beurtheilte, sah mich nur mit Schmerz in vollem Ernst ein Talent pflegen, von dem sie sich für mich nichts versprach, und wiederholte mir oft das auf dem Lande zwar richtige, aber in Paris weniger berechtigte Sprichwort: »Wer gut singen und tanzen kann, treibt ein Geschäft, das nicht nährt den Mann.« Andererseits sah sie mich von einem unwiderstehlichen Triebe fortgerissen; meine Musikleidenschaft wurde zur Wuth und es stand zu befürchten, daß ich wegen der Mannhaftigkeit meiner Leistungen, die in Folge meiner fortwährenden Zerstreutheit immer sichtlicher hervortraten, den Abschied erhalten könnte, den es weit

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