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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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tadeln anstellte. Spaßhaft dabei war, daß ich aus Scham über eine meinen Grundsätzen so widerstreitende Neigung sie niemandem zu gestehen wagte und die Franzosen wegen ihrer Niederlagen aufzog, während mir das Herz darüber mehr als ihnen blutete. Ich bin sicherlich der Einzige, der, unter einem Volke, welches ihm freundlich entgegenkam und das er anbetete, sich, so lange er unter demselben lebte, den Anschein gab, als verachtete er es. Kurz, diese Neigung hat sich von meiner Seite als so uneigennützig, so stark, so unerschütterlich, so unwandelbar herausgestellt, daß selbst, nachdem ich Frankreich verlassen hatte, nachdem seine Regierung, seine Behörden, seine Schriftsteller um die Wette über mich hergefallen und es guter Ton geworden war, mich mit Ungerechtigkeiten und Beleidigungen zu überhäufen, ich mich von meiner Thorheit nicht habe befreien können. Ich liebe die Franzosen mir selbst zum Trotz, obgleich sie mich mißhandeln. [Fußnote: Var ... mich mißhandeln. Indem ich bereits den Verfall Englands beginnen sehe, den ich inmitten seines Triumphes vorausgesagt habe, wiege ich mich in der thörichten Hoffnung, daß die französische Nation, ihrerseits wieder siegreich, eines Tages vielleicht kommen wird, mich der traurigen Gefangenschaft, in der ich lebe, zu entreißen.]
    Ich habe mich lange bemüht, mir den Grund dieser Parteilichkeit klar zu machen, und habe ihn nur in der Gelegenheit, der sie ihr Entstehen verdankte, finden können. Eine sich stets steigernde Vorliebe für die Literatur flößte mir Gefallen an französischen Büchern, an den Verfassern dieser Bücher und an der Heimat dieser Verfasser ein. In demselben Augenblicke, in welchem das französische Heer vor meinen Augen vorüberzog, las ich »die großen Feldherren« von Brantôme. Ich hatte den Kopf voll von all den Clisson, Bayard, Lautrec, Coligny, Montmorency, la Trimouille, und ich hatte ihre Nachkommen als die Erben ihrer Verdienste und ihres Muthes lieb. In jedem Regimente, welches vorbeizog, wähnte ich jene berühmten schwarzen Banden zu erkennen, die einst in Piemont so große Heldenthaten vollbracht hatten. Kurz, ich übertrug auf das, was ich erblickte, meine aus den Büchern geschöpften Ideen. Meine fortwährende Lectüre französischer Werke nährte meine Liebe zu der französischen Nation und machte mit der Zeit eine blinde durch nichts zu erschütternde Leidenschaft daraus. Auf meinen Reisen habe ich später Gelegenheit gehabt wahrzunehmen, daß ich nicht allein diesen Eindruck empfand, und daß er, da er mehr oder minder in allen Ländern auf den Theil des Volkes einwirkte, der die Literatur liebte und studirte, dem allgemeinen Haß, den das anmaßende Wesen der Franzosen überall hervorruft, das Gleichgewicht hielt. Mehr die Romane als die Männer üben eine Anziehungskraft auf die Frauen aller Länder aus, und ihre dramatischen Meisterwerke machen wieder die Jugend zu Freunden ihres Theaterwesens. Der Ruhm der Pariser Bühnen lockt eine Menge Fremde herbei, welche begeistert zurückkehren. Kurz, der ausgezeichnete Geschmack ihrer Literatur gewinnt ihnen alle, die auf Geist Anspruch machen können, und bei dem Kriege, der einen so unglücklichen Verlauf für sie nahm, habe ich ihre Schriftsteller und ihre Philosophen den Ruhm, der durch ihre Krieger an Glanz verloren hatte, aufrecht erhalten sehen.
    Ich war also leidenschaftlicher Franzose, und das machte mich zum Neuigkeitsjäger. Ich zog mit der Schaar der Müßiggänger, die auf neue Nachrichten erpicht waren, bei Postankunft auf den Markt, und dümmer als der Esel in der Fabel, beunruhigte ich mich sehr, um in Erfahrung zu bringen, welcher Herr mir die Ehre anthun würde, mir den Kappzaum anzulegen, denn es ging damals das Gerücht, daß wir an Frankreich fallen sollten, da der König von Sardinien die Absicht hätte, Savoyen gegen das Mailändische einzutauschen. Man muß jedenfalls zugeben, daß ich einigen Grund zu Befürchtungen hatte, denn wenn dieser Krieg für die Verbündeten einen üblen Ausgang nahm, so war Gefahr für Mamas Pension. Aber ich setzte alles Vertrauen in meine guten Freunde, und trotz des Ueberfalles des Herrn von Broglie wurde dieses Vertrauen diesmal nicht getäuscht, Dank dem Könige von Sardinien, an den ich nicht gedacht hatte.
    Während man sich in Italien schlug, sang man in Frankreich. Rameau's Opern begannen Aufsehen zu erregen und brachten seine theoretischen Werke, die wegen ihrer Dunkelheit nur Wenigen verständlich waren,

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