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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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besser war freiwillig zu nehmen. Ferner stellte ich ihr vor, daß meine Beschäftigung nicht von langer Dauer wäre, daß ich zur Erwerbung meines Lebensunterhaltes eines Talentes bedürfte und es sicherer wäre, mir die Kunst, zu der meine Neigung mich hinzöge und die sie selbst für mich gewählt hätte, durch ihre Betreibung vollends anzueignen, als mich auf fremden Beistand zu verlassen oder mir eine neue Laufbahn zu eröffnen, die einen üblen Ausgang nehmen und mich jetzt, wo ich nicht mehr im lernfähigen Alter stände, ohne Broterwerb lassen könnte. Endlich erzwang ich mehr durch dringendes Bitten und Liebkosungen als durch Vernunftgründe, die sie befriedigt hätten, ihre Einwilligung. Augenblicklich lief ich, mich bei Herrn Coccelli, dem Generaldirector des Katasters, zu bedanken, stolz, als hätte ich die heldenmüthigste That vollbracht; so legte ich freiwillig ohne Veranlassung, ohne Grund, ohne Vorwand mein Amt mit eben so großer, ja noch größerer Freude nieder, als ich bei Uebernahme desselben vor noch nicht zwei Jahren empfunden hatte.
    So thöricht dieser Schritt auch war, verschaffte er mir doch in der Gegend eine Art Ansehen, das mir nützlich wurde. Einige vermutheten Hilfsquellen bei mir, die ich nicht besaß; andere beurtheilten, als sie sahen, wie ich mich ganz der Musik hingegeben, mein Talent nach dem gebrachten Opfer und waren überzeugt, daß ich bei so großer Leidenschaft für diese Kunst auch Meister in ihr sein müßte. Im Lande der Blinden ist der Einäugige König. So galt ich denn für einen guten Lehrer, weil es dort nur schlechte gab. Da mir übrigens ein gewisser Geschmack für den Gesangsvortrag nicht abging, dem noch dazu mein Alter und mein Aeußeres zu Statten kam, so hatte ich bald mehr Schülerinnen, als ich zum Ersatz meines Secretärgehaltes nöthig hatte.
    Zur Erhöhung der Annehmlichkeit des Lebens konnte man sicherlich nicht schneller von einem Extrem zum anderen übergehen. Beim Kataster täglich acht Stunden mit der garstigen Arbeit unter noch garstigeren Leuten beschäftigt, in ein düsteres, von der Ausdünstung und dem Schweiße aller dieser größtentheils schlecht gekämmten und höchst unsauberen Burschen verpestetes Bureau eingesperrt, fühlte ich mich mitunter durch die angespannteste Thätigkeit, den Geruch, den Zwang und das ewige Einerlei der Arbeit bis zum Schwindel angegriffen. Statt dessen befand ich mich mit einem Male inmitten der schönen Welt, hatte Zutritt zu den besten Häusern und war gesucht in ihnen; überall eine freundliche schmeichelhafte Aufnahme, ein festliches Aeußere; liebenswürdige junge Damen im höchsten Staat erwarten mich, empfangen mich mit größter Zuvorkommenheit; ich sehe nur reizende Gegenstände, athme nur den Duft von Rosen und Orangenblüten; man singt, man plaudert, man lacht, man unterhält sich; ich gehe von dort nur fort, um anderswo in gleicher Weise aufgenommen zu werden. Man wird zugeben, daß ich bei Gleichheit des Verdienstes keine Ursache hatte, bei der Wahl zu schwanken. Auch befand ich mich bei der getroffenen sehr wohl, so daß ich sie nie bereut habe und auch in diesem Augenblicke nicht bereue, wo ich in der Vollkraft der Vernunft die Handlungen meines Lebens reiflich überlege und von den nicht allzu vernünftigen Beweggründen, von denen ich mich leiten ließ, vollkommen frei bin.
    Dies war fast das einzige Mal, bei dem ich mich, sobald ich nur meinen Neigungen gehorchte, in meiner Erwartung nicht getäuscht sah. Das freundliche Entgegenkommen, der gesellige Charakter, das fröhliche Temperament der dortigen Bevölkerung machte mir den Umgang mit der Welt angenehm, und die Lust zu einem solchen, welche damals in mir erwachte, hat mir den klaren Beweis geliefert, daß, wenn ich nicht gern unter den Menschen lebe, die Schuld weniger an mir als an ihnen liegt.
    Es ist Schade, daß die Savoyarden nicht reich sind, oder es würde vielleicht Schade sein, wenn sie es wären, denn so wie sie sind, bilden sie das beste und umgänglichste Völklein, welches ich kenne. Giebt es ein Städtchen in der Welt, in dem man die Süßigkeit des Lebens in einem angenehmen und sicheren Umgange genießt, so ist es Chambery. Der Landadel, der sich darin zusammenfindet, besitzt nur die Mittel zu einem anständigen Auskommen, aber nicht genug, um sich emporzuschwingen, und da er also außer Stande ist, sich dem Ehrgeize zu überlassen, so befolgt er nothgedrungen den Rath des Cymos. In der Jugend widmet er sich dem

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