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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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niemals wiederkommen!« Er fügte nichts weiter hinzu, und mit gesenktem Haupte ging ich ihm geschickt aus dem Wege, indem ich in meinem Herzen Gott für seine Verschwiegenheit dankte. Nach meiner Ansicht hatten ihn die verwünschten Weiber über seine Leichtgläubigkeit ausgelacht. Wie dem auch sein mag, obgleich ein echter Piemontese, war er doch ein guter Mann, und nie gedenke ich seiner ohne eine Regung der Dankbarkeit. Dieses Abenteuer machte mich auf lange Zeit klug, ohne Folgen mit sich zu führen, die ich hätte zu fürchten brauchen.
    Mein Aufenthalt bei Frau von Bercellis hatte mir einige Bekanntschaften verschafft, die ich in der Hoffnung, daß sie mir nützlich sein könnten, fortsetzte. Unter Anderen besuchte ich hin und wieder einen savoyischen Abbé, Namens Gaime, den Hofmeister der Kinder des Grafen von Mellarède. Er war noch jung und hatte wenig Umgang, war aber voll gesunder Anschauungen, voll Redlichkeit und Einsicht und einer der züchtigsten Menschen, die ich kennen gelernt habe. Für den Zweck, der mich an ihn fesselte, war er mir von keinem Nutzen, er besaß nicht Einfluß genug, um mir ein Unterkommen zu verschaffen; dafür fand ich jedoch bei ihm köstlichere Güter, die mir mein Lebenlang zum Vortheil gereicht haben, Unterweisungen in wahrer Sittenlehre und Grundsätze gesunder Vernunft. In dem Stufengange meiner Neigungen und Vorstellungen war ich stets zu hoch oder zu niedrig gewesen, Achilles oder Thersites, bald Held und bald Taugenichts. Herr Gaime unterzog sich der Mühe, mich auf den richtigen Platz zu stellen und mich mir selber zu zeigen, ohne meiner zu schonen und ohne mich zu entmuthigen. Er sprach von meinem Charakter und meinen Fähigkeiten in sehr anerkennender Weise, aber er fügte hinzu, daß er sähe, wie sich aus ihnen auch die Hindernisse erhöben, die mich davon abhalten würden, aus ihnen Nutzen zu ziehen, so daß er in ihnen viel weniger Stufen zu meinem Glücke als Hilfsmittel erblickte, es entbehren zu können. Er entwarf mir ein treues Bild von dem menschlichen Leben, von dem ich nur falsche Vorstellungen hatte; er zeigte mir, wie der Weise auch bei widrigem Geschick immer dem Glücke nachjagen und selbst bei ungünstigem Winde rastlos streben könne, es zu erreichen; wie es ohne Weisheit kein wahres Glück gebe, und wie die Weisheit sich in allen Ständen finde. Er schwächte bedeutend meine Bewunderung äußerer Größe ab, indem er mir nachwies, daß diejenigen, welche über Andere herrschten, nicht weiser und glücklicher wären als sie. Er sagte mir etwas, woran ich seitdem oft wieder gedacht habe; er stellte nämlich die Behauptung auf: könnte jeder Mensch in den Herzen aller übrigen lesen, so würde es weit mehr Leute geben, die herabzusteigen, als solche, die emporzusteigen wünschten. Diese Bemerkung, die eine treffende Wahrheit und durchaus nichts Übertriebenes enthält, ist mir im Laufe meines Lebens von großem Nutzen gewesen, um mir in meiner niedrigen Stellung meine Zufriedenheit zu bewahren. Er gab mir die ersten richtigen Anschauungen vom Rechtschaffenen, das mein aufgeblasener Sinn nur in seinen Maßlosigkeiten aufgefaßt hatte. Er machte mir klar, daß die Begeisterung erhabener Tugenden in der Gesellschaft wenig Nutzen stifte; daß, wer sich zu hoch emporschwänge, leicht fallen könnte; daß die beständige Beobachtung kleiner Pflichten, wenn man sie stets treu zu erfüllen strebte, nicht weniger Kraft verlangte als alle Heldenthaten; daß sie uns sogar für unsere Ehre und unser Glück ungleich heilsamer wäre, und daß es für uns einen unendlich höheren Werth hätte, beständig die Achtung der Menschen zu besitzen, als bisweilen ihre Bewunderung.
    Um die Pflichten des Menschen festzustellen, war es nöthig, auf die Gründe für dieselben zurückzugehen. Außerdem brachte uns der Schritt, den ich gethan und der mich in meine gegenwärtige Lage versetzt hatte, ganz von selbst darauf, von Religion zu sprechen. Man ahnt schon, daß der redliche Gaime, wenigstens zum großen Theile, das Original des savoyischen Bicars ist. Lediglich aus Klugheit, die ihn mit größerer Zurückhaltung zu reden zwang, erklärte er sich über gewisse Punkte mit weniger Offenheit; aber im Uebrigen waren seine Grundsätze, seine Gesinnungen, seine Ansichten die nämlichen, und bis auf seinen Rath, in mein Vaterland zurückzukehren, war alles genau so, wie ich es späterhin veröffentlicht habe. Ohne auf Unterredungen, mit deren Inhalt sich jeder Leser bekannt machen

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