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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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gegen mich fallen lassen, deren ich mich nicht mehr entsinne. Als ich ihm darauf eine feine und wohlgesetzte Antwort gab, wurde sie aufmerksam und warf die Augen auf mich. Dieser Blick reichte hin, so kurz er war, mich in Entzücken zu versetzen. Am folgenden Tage bot sich die Gelegenheit dar, einen zweiten zu erlangen, und ich ließ sie nicht unbenutzt vorübergehen. Man gab an diesem Tage ein großes Mahl, bei dem der Haushofmeister, wie ich zum ersten Male zu meiner großen Verwunderung gewahrte, seinen Dienst mit dem Degen an der Seite und dem Hut auf dem Kopfe versah. Zufälligerweise kam man auf den Wahlspruch des Hauses Solar zu sprechen, welcher nebst dem Wappen auf der Tapete angebracht war: » Tel fiert qui ne tue pas .« Da die Piemontesen in der französischen Sprache nicht sehr bewandert sind, entdeckte jemand in diesem Wahlspruche einen orthographischen Fehler und behauptete, daß in dem Worte fiert das t zu viel wäre.
    Eben wollte der alte Graf von Gouvon antworten, als plötzlich seine Augen auf mich fielen, und er sah, daß ich lächelte, ohne eine Bemerkung zu wagen; er gebot mir deshalb zu reden. Ich sprach mich nun dahin aus, daß meines Erachtens das t nicht überflüssig wäre; fiert wäre ein altes französisches Wort, welches nicht von dem Eigenschaftsworte ferus, fier , stolz, drohend, sondern von dem Zeitworte ferit , er schlägt zu, er verwundet, herkäme: deshalb schiene mir der Wahlspruch nicht zu sagen: Mancher droht, sondern Mancher schlägt zu, ohne zu tödten.
    Alle Tischgäste blickten mich und blickten sich unter einander an, ohne etwas zu sagen. Nie im Leben sah man ein gleiches Erstaunen; aber noch mehr schmeichelte mir die Wahrnehmung, daß sich auf dem Gesichte des Fräulein von Breil unverkennbar eine Miene der Befriedigung ausprägte. Diese so hochmüthige Person ließ sich herab, mir einen zweiten Blick zuzuwerfen, der dem ersten mindestens gleichkam; dann die Augen auf ihren Großvater richtend, schien sie mit einer Art Ungeduld das Lob zu erwarten, welches er mir schuldig war, und das er mir in der That in so reichem Maße und mit einer so zufriedenen Miene ertheilte, daß die ganze Tafel sich beeiferte, in dasselbe einzustimmen. Dieser Augenblick war kurz, aber in jeder Hinsicht köstlich. Es war einer jener nur allzu seltenen Augenblicke, welche die Dinge wieder in ihre natürliche Ordnung zurückversetzen und das herabgewürdigte Verdienst für die Kränkungen des Schicksals rächen. Einige Minuten später bat mich Fräulein von Breil, die Augen abermals zu mir emporhebend, mit einer eben so schüchternen wie freundlichen Stimme, ihr zu trinken zu reichen. Man kann sich vorstellen, daß ich sie nicht warten ließ. Als ich mich ihr aber näherte, wurde ich von einem solchen Zittern ergriffen, daß ich, noch dazu da ich das Glas zu voll geschenkt hatte, einen Theil des Wassers auf ihren Teller und sogar auf sie selber goß. Ihr Bruder fragte mich unkluger Weise, weshalb ich so heftig zitterte. Diese Frage diente nicht dazu, mich wieder Fassung gewinnen zu lassen, und Fräulein von Breil erröthete bis aufs Weiße der Augen.
    Hier endete der Roman; man wird bei diesem wie bei dem mit Frau Basile und im Verlaufe meines ganzen weiteren Lebens bemerken, daß ich im Abschlusse meiner Liebschaften nicht glücklich bin. Vergeblich wich ich nicht aus dem Vorzimmer der Frau von Breil; ich erhielt nicht ein einziges Zeichen von Beachtung von ihrer Tochter mehr. Sie ging aus und kehrte zurück, ohne mich anzublicken, und ich wagte kaum die Augen auf sie zu werfen. Ich war sogar so albern und ungeschickt, daß ich eines Tages, als sie beim Vorübergehen ihren Handschuh hatte fallen lassen, statt auf diesen Schatz, den ich hätte mit Küssen bedecken mögen, loszustürzen, nicht einmal den Muth besaß, mich vom Flecke zu rühren, und ihn von einem plumpen Tölpel von Diener aufheben ließ, den ich gern erdrosselt hätte. Um mich vollends einzuschüchtern, nahm ich wahr, daß ich nicht das Glück hatte, Frau von Breil zu gefallen. Nicht allein ertheilte sie mir nie einen Auftrag, sondern sie nahm auch keinen Dienst von mir an, und einmal fragte sie mich, als sie mich in ihrem Vorzimmer fand, in sehr trocknem Tone, ob ich nichts zu thun hätte. So mußte ich denn von diesem lieben Vorzimmer fern bleiben. Anfangs war ich darüber bekümmert, aber Zerstreuungen traten dazwischen, und bald dachte ich nicht mehr daran.
    Zum Troste für die Geringschätzung der Frau von Breil gereichte mir

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