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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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und ich fast sicher sein konnte, daß sie mich beim Worte nehmen würde.
    Meine Aufregung wuchs bis zu dem Grade, daß ich, da ich mein Verlangen nicht befriedigen konnte, es durch die wunderlichsten Kunstgriffe noch immer mehr anreizte. Ich suchte dunkle Alleen, abgelegene Orte auf, wo ich mich von Weitem den Personen weiblichen Geschlechtes in dem Zustande zeigen könnte, in dem ich hätte bei ihnen sein mögen. Was sie zu sehen bekamen, war kein unzüchtiger Anblick – daran dachte ich nicht einmal – sondern ein lächerlicher. Das einfältige Vergnügen, das ich empfand, ihn ihren Augen darzubieten, läßt sich nicht beschreiben. Es bedurfte nur noch eines einzigen Schrittes darüber hinaus, um der ersehnten Behandlung theilhaftig zu werden, und ich zweifle nicht, daß mir irgend eine Entschlossene beim Vorübergehen dieses Vergnügen verschafft hätte, wenn ich die Kühnheit gehabt, es abzuwarten. Dieses alberne Benehmen hatte für mich einen fast eben so komischen, wenn auch weniger angenehmen Ausgang.
    Eines Tages stellte ich mich in dem Hintergrunde eines Hofes auf, wo sich ein Brunnen befand, zu dem die Mädchen des Hauses oft kamen, um Wasser zu holen. Dort war auch ein Vorbau, von dem aus man durch verschiedene Eingänge zu Kellern gelangen konnte. Ich untersuchte im Dunkeln diese Kellerräume, und da sie, wie ich fand, lang und düster waren, glaubte ich, sie hätten kein Ende und würden mir im Falle einer Entdeckung einen sichern Zufluchtsort gewähren. In diesem Vertrauen bereitete ich den Mädchen, die zum Brunnen kamen, ein mehr lächerliches als verführerisches Schauspiel. Die klügsten thaten, als sähen sie nichts; andere fingen an zu lachen, noch andere hielten sich für verhöhnt und machten Lärm. Ich rettete mich in meinen Zufluchtsort und wurde verfolgt. Ich hörte die Stimme eines Mannes und wurde unruhig, da ich darauf nicht gerechnet hatte. Ich drang auf die Gefahr hin, mich zu verirren, immer tiefer in die Kellerräume ein: der Lärm, die Stimmen, die Männerstimme folgten mir beständig. Ich hatte mich auf die Dunkelheit verlassen, und es war hell. Ich zitterte, ich ging noch tiefer hinein. Eine Mauer hielt mich auf, und da ich nicht weiter gehen konnte, mußte ich mein Schicksal abwarten. In einem Augenblicke wurde ich von einem großen Manne mit einem langen Knebelbarte und gewaltigem Hute auf dem Kopfe erreicht und ergriffen. Er trug einen langen Säbel und wurde von vier oder fünf alten Frauen begleitet, von denen sich jede mit einem Besenstiel bewaffnet hatte. Unter ihnen bemerkte ich auch die kleine Dirne, die mich verrathen hatte und mir ohne Zweifel ins Gesicht sehen wollte.
    Als mich der Mann mit dem Säbel am Arme ergriff, fragte er mich barsch, was ich da machte. Man begreift, daß ich mit der Antwort nicht schnell bei der Hand war. Ich faßte mich jedoch und ersann, indem ich alle meine Geisteskräfte zusammennahm, eine romantische Geschichte, mit der ich auch Erfolg hatte. Ich sagte zu ihm mit flehendem Tone, er möchte Mitleid mit meinem Alter und meinem Zustande haben, ich wäre ein junger Fremder von vornehmer Geburt, der im Kopfe nicht ganz richtig wäre; ich wäre dem väterlichen Hause entflohen, weil man mich einsperren wollte; ich wäre verloren, wenn er mich zwänge, mich ihm zu erkennen zu geben; ließe er mich jedoch in Frieden gehen, so würde ich vielleicht eines Tages im Stande sein, mich ihm für diese Gnade erkenntlich zu erzeigen. Gegen alle Erwartung machte meine Rede und mein Aeußeres Eindruck. Der schreckliche Mann wurde davon gerührt, und nach einem ziemlich kurzen Verweise ließ er mich ruhig gehen, ohne mich weiter auszufragen. Nach den Mienen, mit denen mich die Dirne und die alten Weiber davon gehen sahen, mußte ich annehmen, daß mir der Mann, den ich erst so sehr fürchtete, sehr nützlich war, und daß ich bei ihnen allein nicht so wohlfeil davon gekommen wäre. Ich hörte sie Allerlei murmeln, um das ich mich jedoch nicht viel kümmerte, denn wenn sich nur der Mann und sein Säbel nicht hineinmischten, war ich, jung und kräftig, wie ich war, dessen sicher, mich ihrer Knüttel und ihrer selbst zu erwehren.
    Als ich eines Tages später mit einem jungen Abbé, meinem Nachbar, eine Straße entlang schritt, stand mir plötzlich der Mann mit dem Säbel gerade gegenüber. Er erkannte mich wieder, und indem er mir mit spöttischem Tone nachäffte, sagte er zu mir: »Ich bin ein Prinz, ich bin ein Prinz, aber auch ein Schuft. Möge seine Hoheit

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