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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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dem Berner Rathe zu reden, und sofort ganz unvorbereitet zu reden – das, sollte man meinen, hätte mich völlig vernichten müssen. Aber ich wurde dadurch nicht einmal eingeschüchtert. Ich setzte den Auftrag des Archimandriten kurz und deutlich auseinander. Ich lobte die Mildthätigkeit der Fürsten, welche zu der Sammlung, die vorzunehmen sein Zweck war, beigetragen hatten. In der Absicht, die ihrer Excellenzen zum Wetteifer anzutreiben, fügte ich hinzu, daß sich von ihrer gewöhnlichen Opferfreudigkeit nicht weniger erwarten ließe, und nachdem ich mich bemüht hatte, dieses gute Werk als ein für alle Christen ohne Unterschied des Bekenntnisses gleich verdienstliches hinzustellen, schloß ich, indem ich allen, welche daran Theil nehmen würden, die Segnungen des Himmels verhieß. Ich will nicht gerade sagen, daß meine Rede Aufsehen erregte, aber sie fand jedenfalls Beifall, und beim Verlassen des Audienzsaales erhielt der Archimandrit ein sehr ansehnliches Geschenk und außerdem Glückwünsche über die Talente seines Secretärs, die ich zu verdolmetschen die angenehme Aufgabe hatte, aber nicht wörtlich wieder zu geben wagte. Das war das einzige Mal in meinem Leben, daß ich öffentlich und vor dem Staatsoberhaupte, und auch vielleicht das einzige Mal, daß ich dreist und gut geredet habe. Welche Verschiedenheit in den Stimmungen des nämlichen Menschen! Als ich vor drei Jahren bei meinem alten Freunde Roguin zu Yverdun auf Besuch war, empfing ich eine Deputation, die mir im Namen der Stadt ihren Dank für einige Bücher, welche ich der dortigen Bibliothek geschenkt hatte, aussprechen sollte. Die Schweizer sind große Redner, diese Herren hielten nun auch eine feierliche Ansprache an mich. Ich hielt mich für verpflichtet zu antworten; aber ich verwickelte mich bei meiner Antwort in einer Weise, und der Kopf schwindelte mir derartig, daß ich stecken blieb und mich mußte auslachen lassen. Obgleich von Natur blöde, bin ich in meiner Jugend bisweilen kühn gewesen, nie dagegen in vorgerückterem Alter. Je mehr ich die Welt kennen lernte, desto weniger habe ich mich in ihren Ton schicken können.
    Von Bern begaben wir uns nach Solothurn, denn der Archimandrit hatte die Absicht, die Reise durch Deutschland wieder aufzunehmen und von dort die Rückreise durch Ungarn oder Polen anzutreten, was einen unendlich langen Weg bedingte, doch da sich seine Börse unterwegs mehr füllte als leerte, so scheute er die Umwege wenig. Ich für meine Person, der ich an Reisen zu Pferde fast das gleiche Gefallen fand wie an denen zu Fuß, hätte nichts Besseres verlangt, als auf diese Weise mein ganzes Leben lang zu reisen; aber das Verhängnis wollte, daß ich nicht so weit kommen sollte.
    Das Erste, was wir nach unserer Ankunft in Solothurn thaten, war, daß wir den französischen Gesandten begrüßten. Zum Unglück für meinen Bischof bekleidete die Stelle eines Botschafters damals der Marquis von Bonac, der bei der hohen Pforte Gesandter gewesen war und deshalb von allem, was mit dem heiligen Grabe in Verbindung stand, Kenntnis haben mußte. Der Archimandrit hatte eine Audienz von einer Viertelstunde, zu der ich nicht zugelassen wurde, weil der Gesandte die lingua franca verstand und italienisch wenigstens eben so gut sprach als ich. Als mein Grieche herauskam, wollte ich ihm folgen, aber man hielt mich zurück, denn nun kam ich an die Reihe. Da ich mich für einen Pariser ausgegeben hatte, stand ich als solcher unter der Gerichtsbarkeit seiner Excellenz. Dieselbe fragte mich, wer ich wäre, und ermahnte mich, die Wahrheit zu bekennen. Ich versprach sie ihr, indem ich um eine Privataudienz bat, die mir zugestanden wurde. Der Gesandte führte mich in sein Arbeitszimmer, dessen Thüre er hinter uns schloß, und nachdem ich mich ihm dort zu Füßen geworfen hatte, hielt ich Wort. Ich würde es eben so gut gethan haben, wenn ich es auch nicht versprochen hätte, denn ein beständiges Bedürfnis nach Herzensergießung legt mir jeden Augenblick das Herz auf die Lippen. Hatte ich vorher dem Musiker Lutold rückhaltslos mein Herz ausgeschüttet, so hatte ich jetzt noch weniger Grund, dem Marquis von Bonac gegenüber den Geheimnisvollen zu spielen. Er war mit meiner kleinen Geschichte und der Aufrichtigkeit, mit der ich sie, wie er sah, erzählt hatte, so zufrieden, daß er mich bei der Hand nahm, mit mir zu seiner Frau ging und mich ihr vorstellte, indem er ihr meine Erzählung in kurzen Worten mittheilte. Frau von Bonac empfing

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