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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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ich mir beim Wandern baute, einstürzen zu sehen. Diesmal waren meine Gedanken kriegerisch. Ich war auf dem Wege mich einem Soldaten anzuschließen und selbst Soldat zu werden; denn man war darüber einig geworden, daß ich meine militärische Laufbahn als Cadet beginnen sollte. Ich glaubte mich schon in Officieruniform mit einem schönen weißen Federbusch zu sehen. Mein Herz schwoll bei diesem stolzen Gedanken. Ich besaß einige oberflächliche Kenntnis von Geometrie und Befestigungskunst; ich hatte einen Ingenieur zum Onkel, ich trat gewissermaßen in seine Fußstapfen ein. Meine Kurzsichtigkeit bot zwar ein kleines Hindernis dar, das mich jedoch nicht in große Verlegenheit setzte; diesen Fehler gedachte ich durch Kaltblütigkeit und Unerschrockenheit auszugleichen. Der Marschall Schomberg war, wie ich gelesen hatte, kurzsichtig gewesen; weshalb sollte es also der Marschall Rousseau nicht sein? Ich gerieth bei diesen Thorheiten dergestalt in Hitze, daß ich nur noch Truppen, Wälle, Schanzkörbe und Batterien und mich mitten im Feuer und Pulverdampf sah, meine Befehle ruhig mit der Lorgnette in der Hand ertheilend. Sobald ich jedoch durch freundliche Gegenden kam, sobald ich Gehölze und Bäche sah, mußte ich bei diesem rührenden Anblicke seufzen. Mitten in den Bildern meines Kriegsruhmes fühlte ich, daß mein Herz nicht für solches Getümmel geschaffen war, und ohne zu wissen wie, fand ich mich bald wieder inmitten meiner lieben Schäfereien, für immer auf die Thaten des Kriegsgottes verzichtend.
    Wie wurde ich doch bei meinem Eintritte in Paris in meinen Erwartungen enttäuscht! Das zierliche Aeußere, das ich in Turin wahrgenommen, die Schönheit der Straßen, die Regelmäßigkeit und Gleichheit in der Straßenflucht der Häuser hatten mich in Paris noch ganz andere Dinge erwarten lassen. Ich hatte mir eine eben so schöne wie große Stadt vorgestellt, die einen Bewunderung erregenden Anblick gewährte und in der man nichts als prachtvolle Straßen, Paläste von Marmor und Gold erblickte. Als ich die Vorstadt St. Marceau durchschritt, gewahrte ich nur kleine, unreine und stinkende Gassen, häßliche schmutzige Häuser, Unsauberkeit, Armuth, Bettler, Fuhrleute, alte Klatschweiber, Ausruferinnen von Tisane und alten Hüten. Alles dies machte von Anfang an einen solchen Eindruck auf mich, daß ihn alles, was ich in Paris späterhin von wirklicher Pracht gesehen habe, nicht hat zerstören können und mir von da an stets ein geheimer Widerwille gegen den Aufenthalt in dieser Hauptstadt geblieben ist. Ich kann behaupten, daß ich die ganze Zeit, welche ich späterhin daselbst verlebt habe, nur zur Aufbringung der Mittel verwandte, um fern von ihr leben zu können. Das ist die Frucht einer zu lebhaften Einbildungskraft, welche die Uebertreibungen der Menschen von neuem übertreibt und immer mehr sieht als das, was man ihr sagt. Man hatte mir Paris so sehr gerühmt, daß ich es mir wie das alte Babylon vorgestellt hatte, von dessen mir selbst entworfenem Bilde ich wahrscheinlich, wenn ich es in Wirklichkeit gesehen, eben so viel hätte hinfortnehmen müssen. Dasselbe widerfuhr mir in der Oper, die ich mich beeilte schon den Tag nach meiner Ankunft zu besuchen; dasselbe später in Versailles; noch später, als ich zum ersten Mal das Meer erblickte; und eben so wird es mir immer ergehen, wenn sich meinen Augen ein mir zu sehr angepriesenes Schauspiel zeigt; denn es ist den Menschen unmöglich und der Natur selbst schwer, meine Einbildungskraft am Reichthum zu überbieten.
    Nach der mir von allen, an die ich Empfehlungsbriefe hatte, zu Theil gewordenen Aufnahme glaubte ich mein Glück gemacht. Der, welchem ich am dringendsten empfohlen war und der mich am wenigsten freundlich empfing, war Herr von Surbeck, der den Dienst aufgegeben hatte und ein philosophisches Leben in Bagneux führte, wo ich ihn mehrmals besuchte und er mir auch nicht einmal ein Glas Wasser anbot. Einen bessern Empfang bereitete mir Frau von Merveilleux, die Stiefschwester des Dolmetschers, und sein Neffe, ein Gardeofficier. Nicht allein nahm mich Mutter wie Sohn freundlich auf, sondern sie boten mir auch ihren Tisch an, ein Anerbieten, das ich auch während meines Aufenthalts in Paris häufig benutzte. Frau von Merveilleux schien mir schön gewesen zu sein. Ihr Haar zeichnete sich durch ein schönes Schwarz aus und fiel nach alter Sitte in Schmachtlocken über die Schläfe hinab. Geblieben war ihr, was mit den äußeren Reizen nicht dahin stirbt,

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