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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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Mühe geben, hierher zu kommen, um mir die Beleidigungen, die er mir in seinen Briefen sagt, mündlich zu wiederholen; ich werde sie nichts weniger als geduldig ertragen. Nach seiner Rückkehr nach Paris wird er krank sein, und ich werde nach alter Weise ein sehr widerwärtiger Mensch bleiben. Was läßt sich da thun? Ich muß es dulden.
    »Aber bewundern Sie nicht die Klugheit dieses Menschen, der mich im Fiaker zum Mittagbrote nach Saint-Denis abholen, im Fiaker zurückbringen wollte, und dem acht Tage später (Heft A, Nr. 34) sein Vermögen nicht mehr gestattet anders als zu Fuß nach der Eremitage zu kommen? Es ist, um mich seiner Ausdrucksweise zu bedienen, nicht völlig unmöglich, daß dieses der Ton der Aufrichtigkeit ist; aber in diesem Falle müssen seltsame Veränderungen in seinen Vermögensverhältnissen eingetreten sein.
    »Ich nehme Antheil an dem Kummer, mit dem die Krankheit Ihrer Frau Mutter Sie erfüllt; aber Sie sehen, daß Ihr Schmerz dem meinigen nicht nahe kommt. Man leidet weniger darunter, die Personen, die man liebt, krank zu sehen, als ungerecht und grausam.
    »Leben Sie wohl, meine gute Freundin; dies ist das letzte Mal, daß ich Ihnen von dieser leidigen Geschichte reden werde. Sie erzählen mir von Ihrer Absicht, nach Paris zu gehen, mit einer Kaltblütigkeit, die mich zu anderer Zeit sehr erfreuen würde.«
    Ich schrieb Diderot, was ich auf Vorschlag der Frau von Epinay selber hinsichtlich der Frau Le Vasseur gethan hatte, und da letztere, wie man sich recht gut denken kann, vorgezogen hatte, auf der Eremitage zu bleiben, wo sie sich sehr wohl befand, stets Gesellschaft hatte und sehr angenehm lebte, so wußte Diderot nicht mehr, woraus er mir ein Verbrechen machen sollte. Er legte mir schließlich als solches diese Vorsicht meinerseits aus und unterließ auch nicht, mir ein anderes aus der Fortdauer des Aufenthaltes der Frau Le Vasseur auf der Eremitage zu machen, obgleich diese Fortdauer auf ihrer eigenen Wahl beruhte und es nur von ihr abgehangen hätte und noch immer nur von ihr abhing, nach Paris zurückzukehren, um dort mit der nämlichen Unterstützung von meiner Seite zu leben, die ihr in meinem Hause zu Theil ward.
    Dies ist die Erklärung des ersten Vorwurfs in Diderots Briefe Nr. 33. Die des zweiten befindet sich in seinem Briefe Nr. 34. »Der Gelehrte (so pflegte Grimm den Sohn der Frau von Epinay scherzhafterweise zu nennen), der Gelehrte muß Ihnen geschrieben haben, daß es auf dem Walle zwanzig Arme gäbe, die vor Hunger und Frost stürben und auf das Scherflein warteten, das Sie ihnen gaben. Das ist eine Probe unseres leichten Geplauders ... und wenn Sie das Uebrige vernähmen, würden Sie sich eben so ergötzt fühlen, wie über diesen Scherz.«
    Meine Antwort auf dieses vernichtende Geschreibsel, auf welches Diderot so stolz schien, lautete folgendermaßen:
    »Ich glaube dem Gelehrten, das heißt dem Sohne eines Generalpächters, geantwortet zu haben, daß ich die Armen, welche er auf dem Walle in Erwartung eines Scherfleins gesehen, nicht bedauerte, daß er sie offenbar reichlich entschädigt hätte; daß ich ihn als meinen Stellvertreter einsetzte; daß sich die Pariser Armen bei diesem Tausche nicht würden zu beklagen haben; daß ich nicht leicht einen eben so guten Stellvertreter für die Armen zu Montmorency finden würde, die ihn weit nöthiger hätten. Es giebt hier einen braven ehrenwerthen Greis, der nach einem langen arbeitsvollen Leben jetzt nicht mehr zu arbeiten vermag und in seinen alten Tagen Hungers stirbt. Mein Gewissen ist über die zwei Kreuzer, die ich ihm alle Montage gebe, zufriedener als über die hundert Heller, welche ich an alle Bettler auf dem Walle vertheilt haben würde. Ihr seid wunderlich, ihr Herren Philosophen, wenn ihr die Stadtbewohner als die einzigen Menschen betrachtet, gegen welche ihr Pflichten zu erfüllen habt. Auf dem Land lernt man gerade die Menschheit lieben und ihr dienen; in den Städten lernt man sie nur verachten.«
    Dies waren die eigentümlichen Bedenken, um deren willen ein Mann von Geist die Thorheit hatte, mir aus meiner Entfernung von Paris im Ernste ein Verbrechen zu machen, und sich bestrebte, mir an meinem eigenen Beispiele den Nachweis zu führen, daß man nicht außerhalb der Hauptstadt leben könnte, ohne ein schlechter Mensch zu sein. Heute begreife ich nicht, weshalb ich so dumm war, ihm zu antworten und mich zu ärgern, anstatt ihm als ganze Antwort ins Gesicht zu lachen. Aber die Aussprüche der Frau

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