Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
Vom Netzwerk:
Begriffe sich einfallen ließ, Klüpffell für den Papst zu halten. Ich glaubte, sie wäre toll geworden, als sie mir beim Nachhausekommen zum ersten Male sagte, der Papst hätte mir einen Besuch machen wollen. Ich ließ sie sich erklären und hatte dann nichts Eiligeres, als diese Geschichte Grimm und Klüpffell zu erzählen, dem unter uns der Name Papst blieb. Dem Mädchen in der Straße Des Moineaux legten wir den Namen Päpstin Johanna bei. Wir brachen dabei in ein so heftiges Gelächter aus, daß wir fast erstickt wären. Die, welche mich in einem Briefe, den es ihnen beliebt hat, mir zuzuschreiben, haben behaupten lassen, ich hätte nur zweimal in meinem Leben gelacht, haben mich weder in jener Zeit noch in meiner Jugend gekannt, sonst hätte ihnen dieser Gedanke sicherlich nicht kommen können.

1750 – 1752
    Im nächsten Jahre, 1750, als ich schon nicht mehr an meine Abhandlung dachte, erfuhr ich, daß sie in Dijon den Preis erhalten hätte. Diese Nachricht rief alle Gedanken, welche sie mir eingegeben hatten, wieder in mir wach, belebte sie mit neuer Kraft und ließ die ersten Keime von Heldenmuth und Tugend, welche mein Vater und mein Vaterland und Plutarch schon in meiner Kindheit in mein Herz gelegt hatten, üppig emporschießen. Ich fand nichts groß und schön als, über Schicksal und Menschenmeinung erhaben, frei und tugendhaft zu sein und sich selbst zu genügen. Obgleich mich falsche Scham und Furcht vor dem Gerede der Leute abhielten, sofort diesen Grundsätzen gemäß zu leben und offen mit den Sitten und Gewohnheiten meines Jahrhunderts zu brechen, hatte ich doch von jetzt an den entschiedenen Willen dazu und ich zögerte mit der Ausführung nur so lange Zeit, wie die Widersprüche gebrauchten, ihn anzutreiben und ihm zum Siege zu verhelfen.
    Während ich über die Pflichten des Menschen philosophirte, brachte mich ein Ereignis zum bessern Nachdenken über meine eigenen. Therese wurde zum dritten Male schwanger. Zu aufrichtig gegen mich selbst, zu stolzen Herzens, um meine Grundsätze durch meine Handlungen verläugnen zu wollen, begann ich das Loos meiner Kinder und mein Verhältnis mit ihrer Mutter nach den Gesetzen der Natur, der Gerechtigkeit, der Vernunft und jener reinen heiligen Religion zu untersuchen, die, trotzdem sie ewig wie ihr Stifter ist, die Menschen befleckt haben, während sie sich stellten, als ob sie sie reinigen wollten, und aus der sie durch ihre Glaubensformeln nur eine Wortreligion gemacht haben, da es ja wenig kostet, das Unmögliche zu befehlen, wenn man sich selbst von der Ausführung desselben entbindet.
    Täuschte ich mich in meinen Ergebnissen, so ist dabei nichts erstaunlicher als die Seelenruhe, mit der ich mich ihnen überließ. Wäre ich einer jener schlecht gesinnten Menschen, die taub gegen die süße Stimme der Natur sind, in deren Herzen nie ein wahres Gefühl für Gerechtigkeit und Menschlichkeit erwachte, so würde eine solche Verhärtung ganz einfach sein; aber diese Herzenswärme, diese so lebhafte Menschenfreundlichkeit, diese Leichtigkeit, freundliche Verhältnisse anzuknüpfen, diese Gewalt, mit der sie mich beherrschen, diese bittre Herzenstrauer, wenn ich sie lösen muß, dieses angeborene Wohlwollen für meine Mitmenschen, diese glühende Liebe für das Große, das Wahre, das Schöne, das Rechte; dieser Abscheu vor jeglichem Schlechten, diese Unmöglichkeit zu hassen und zu schaden, ja es auch nur zu wünschen; diese gerührte Stimmung, diese lebhafte und süße Erregung, die ich beim Anblicke von allem, was tugendhaft, edelmüthig und liebenswürdig ist, empfinde: kann sich wohl dies alles in derselben Seele mit der sittlichen Verdorbenheit vertragen, welche die süßeste der Pflichten rücksichtslos mit Füßen tritt? Nein, ich bin davon überzeugt und behaupte es laut: es ist nicht möglich. Nicht einen einzigen Augenblick in seinem Leben hat Jean Jacques ein Mensch ohne Gefühl, ohne Herz, hat er ein unnatürlicher Vater sein können. Ich bin im Stande gewesen, mich zu irren, aber nicht, mich zu verhärten. Wenn ich meine Gründe sagte, würde ich damit zu viel sagen. Da sie mich zu verführen vermochten, würden sie auch viele andere verführen. Ich will junge Leute, die mich lesen könnten, nicht der Gefahr aussetzen, sich von demselben Irrthume täuschen zu lassen. Ich werde mich begnügen zu sagen, er bestand darin, daß ich, als ich meine Kinder [Fußnote: Var. ... er bestand darin, daß ich damals mein Verhältnis mit Therese nur noch als

Weitere Kostenlose Bücher