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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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lediglich aus eigenem Antriebe ausgesetzt. In diesem Jahre beabsichtigte Herr von Francueil, der mich täglich lieber gewann, mich in bessere und weniger unsichere Umstände zu setzen. Er war Receveur général des Finances. Herr Dudoyer, sein Kassirer, war alt, reich und wünschte sich zurückzuziehen. Herr von Francueil bot mir diese Stelle an, und um mich in den Stand zu setzen, sie auszufüllen, ging ich einige Wochen lang zu Herrn Dudoyer, die nöthigen Unterweisungen zu erhalten. Aber sei es, daß ich für diesen Beruf wenig Anlage hatte, oder daß mich Dudoyer, der sich einen andern Nachfolger zu wünschen schien, nicht ehrlich unterwies, ich erwarb mir die dazu nöthigen Kenntnisse nur langsam und unvollständig, und diese ganze absichtlich verwirrte Rechnungslegung konnte ich nie recht fassen. Allein wenn ich mit dem Rechnungswesen auch nicht vollkommen vertraut war, verstand ich doch den gewöhnlichen Geschäftsgang hinreichend, um ihn leidlich leiten zu können. Ich begann sogar die Geschäfte zu übernehmen. Ich führte die Bücher und die Kasse; ich machte und empfing Zahlungen, stellte Empfangsbescheinigungen aus und nahm sie an, und obgleich ich zu diesem Beruf eben so wenig Lust wie Talent hatte, so war ich doch entschlossen, da mich das reifere Alter klug zu machen begann, meine Abneigung zu bezwingen, um mich meinem Amte ganz hinzugeben. Als ich schon leidlich im Zuge war, machte Herr von Francueil leider eine kleine Reise, während welcher ich mit der Verwaltung seiner Kasse, in der sich jedoch damals nur fünfundzwanzig- bis dreißigtausend Franken befanden, betraut blieb. Die Sorgen und die Unruhe, die mir dieses Geld bereitete, machten es mir fühlbar, daß ich zum Kassirer nicht geschaffen wäre, und ich zweifle nicht, daß das schlechte Blut, welches ich während seiner Abwesenheit bekam, namentlich zu der Krankheit beigetragen hat, in die ich nach seiner Rückkunft verfiel.
    In dem ersten Theile dieses Werkes habe ich erwähnt, daß ich halbtodt geboren wurde. Ein organischer Fehler der Harnblase hatte in meinen ersten Jahren eine fast beständige Harnverhaltung zur Folge, und meine Tante Suzon, die meine Pflege übernahm, hatte unglaubliche Mühe, mich am Leben zu erhalten. Gleichwohl gelang es ihr; meine kräftige Natur gewann endlich die Oberhand, und meine Gesundheit erstarkte während meiner Jugend derart, daß ich, von der abzehrungsähnlichen Krankheit, deren Verlauf ich berichtet, und von dem häufigen Drange zum Uriniren abgesehen, der mich bei der geringsten Erhitzung quälte, das Alter von dreißig Jahren erreichte, fast ohne etwas von den Nachwehen meines anfänglich schwächlichen Zustandes zu empfinden. Erst bei meiner Ankunft in Venedig fühlte ich sie wieder. Die Ermüdung von der Reise und die furchtbare Hitze, die ich ausgestanden hatte, zogen mir Harnstrenge und ein Nierenleiden zu, die ich bis Eintritt des Winters behielt. Nach meinem Besuche bei der Paduana glaubte ich, ich müßte sterben, und hatte trotzdem nicht die geringsten Beschwerden; ja, nachdem ich mehr meine Einbildung als meinen Körper für meine Zulietta erschöpft hatte, fühlte ich mich wohler als je. Erst nach Diderots Verhaftung befiel mich in Folge der Erhitzung, die ich mir auf den in der damals entsetzlichen Sonnenglut nach Vincennes unternommenen Wanderungen zugezogen hatte, ein heftiges Nierenleiden, und nie habe ich seitdem meine frühere Gesundheit wiedererlangt.
    In dem Zeitpunkte, von dem ich rede, wurde ich, da ich mich vielleicht bei der widerwärtigen Arbeit an dieser verwünschten Kasse ein wenig ermüdet hatte, leidender als zuvor und hütete in dem kläglichsten Zustande, den man sich vorstellen kann, fünf oder sechs Wochen das Bett. Frau Dupin schickte mir den berühmten Morand, der mir trotz seiner Geschicklichkeit und leichten Hand unglaubliche Schmerzen bereitete und es nie zu Stande brachte, mich zu sondiren. Er gab mir den Rath, mich an Daran zu wenden, dessen biegsamere Harnröhrchen sich wirklich zweckentsprechend zeigten. Als Morand indessen der Frau Dupin über meinen Zustand Bericht abstattete, erklärte er ihr, daß ich in einem halben Jahre nicht mehr am Leben sein würde. Diese Versicherung, die ich erfuhr, veranlaßte mich zu ernsten Betrachtungen über meinen Zustand wie über die Thorheit, die Ruhe und die Annehmlichkeit der wenigen Lebenstage, die mir noch vergönnt waren, dem Zwange eines Amtes zu opfern, gegen welches ich nur Widerwillen empfand. Wie reimten sich

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