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Roxelane

Titel: Roxelane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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Verbündeten der Colonna!“
    „Wenn Sie gestatten, Madonna, erinnere ich Sie an eine Dame Ihres
    Landes“, sagte Cantemir. „Sie lebte zur Zeit der Kreuzzüge, und ich las von ihr in einem Ihrer italienischen Bücher.“
    Und dann erzählte er die Geschichte von der nackten Herzogin.
    Es geschah also, daß einer Herzogin von Benevent das Mißgeschick zustieß, ohne Kleider von einem Manne gesehen zu werden.
    Die Herzogin war aus einem alten langobardischen Geschlecht und sehr schön; aber sie war auch ebenso schamhaft und stolz. Und so ließ sie nach dem unschuldigen Urheber dessen, was sie als ihre Schmach ansah, fahnden.
    Dem jedoch gelang es zu entfliehen, und mit seinem Leben rettete er auch seine Rache.
    Denn bald erzählte man sich in ganz Italien von der Herzogin und ihrer Geschichte, die damit den Beneventern ebenfalls nicht länger verborgen bleiben konnte.
    Die Herzogin litt.
    Dann aber versammelte sie ihre Mädchen und die Frauen und Töchter ihrer Vornehmen um sich.
    Alle waren beklommen, als die Fürstin, über die sie vielleicht eben noch gelächelt hatten, selbst von ihrem Kummer und seiner Ursache zu sprechen begann, und alle erstarrten, als sie dann hörten, welche Hilfe die Gebieterin sich von ihnen versprach.
    Doch kein Sträuben half. Die Frauen und Mädchen wurden ergriffen und wenigstens die, deren Jugend und körperliche Beschaffenheit sie geeignet erscheinen ließen, unter Bedeckung eisengepanzerter Söldner auf den Markt gebracht.
    Das dort versammelte Volk war damit zufrieden, daß fürstliches Mißvergnügen sich nicht immer nur an ihm mit Schlägen entlade, sondern daß auch Vornehme einmal dafür büßen und obendrein ein willkommenes Schauspiel bestreiten sollten.
    Denn unter Trompetengeschmetter und Namensaufruf mußte eine der adeligen Frauen und Mädchen nach der andern eine hölzerne Tribüne ersteigen und sich dort oben entkleiden. Was dabei Gehorsam und Liebe zur Herrin nicht vermochten, erwirkte der Zwang. Jede einzelne wurde vor Tausenden von Augen nackt zur Schau gestellt, weil ein einziger Mann die Herzogin ohne Hemd gesehen hatte.
    Auf diese Weise versuchte die Unerbittliche, ihr eigenes Ungemach in der Beschämung der andern auszulöschen.
    „Aber gelang ihr das?“ fragte Cantemir. „Wenn man heute, nach Hunderten von Jahren, von der bitteren Stunde dieser Frauen spricht, nennt man doch auch die Herzogin!“
    „Und doch tat sie, was sie vermochte“, lobte Giulia. „Sie scheint eine starkherzige Frau gewesen zu sein.“
    „War sie aber auch klug? Wäre Güte nicht besser gewesen?“ stellte Cantemir vor. „Vielleicht machte sie gerade in ihrer Hilflosigkeit Eindruck auf den, der sie sah. Wahrscheinlich hätte er geschwiegen. Durch ihre Feindseligkeit aber vertrieb sie ihn von Haus und Hof, brachte ihn um all sein irdisches Gut und forderte seine Rache heraus ...“
    „Doch alles nur, vorausgesetzt, daß sie wirklich schön war“, lachte Bragadin dazwischen.
    „Oh, sie war schön!“ versicherte Giulia dem zweifelnden Bragadin. „Nur eine schöne Frau tut, was die Herzogin tat. Und nicht sie trägt die Schuld an dem, was ihren Frauen geschehen mußte, sondern nur der Mann, der ihr feige entfloh.“
    „Und was hätte er tun sollen?“ versuchte Cantemir dem Gespräch eine ernsthafte Wendung zu geben.
    „Er hätte sein Schicksal erleiden sollen!“ begeisterte sich Giulia Gonzaga.
    Darauf hielt Cantemir eine weitere Erörterung für überflüssig. „Nach meiner Überzeugung“, erklärte Bragadin an Stelle des Gastfreunds, „hat der Hochwürdigste recht. Es gibt Schicksale, an denen unsere Moral abprallt. Was soll eine Dame tun,die in Sklaverei fällt?“ Als ein Beispiel unter vielen führte er dann die Dame Dede Semid an. Der venezianische Aktendienst war stets erstklassig gewesen, und so zeigte sich Bragadin bis in alle Einzelheiten über sie unterrichtet. „Sehen Sie, Madonna“, fuhr er fort, „da haben Sie Ihre edelgeborene Dame! Denn den Adel der delle Torre werden Sie nicht bestreiten. Ich aber wünschte, mein damaliger Amtsgenosse in Tunis wäre etwas taktvoller verfahren. Dann wäre sie zurückgekehrt.“ „Und was ist nun aus ihr geworden?“ „Mehr als ihr in Italien wahrscheinlich beschieden gewesen wäre. Die Dame ist heute die Obersthofmeisterin des kaiserlichen Harems.“ „Bedeutet das so viel...?“
    „Erlaucht können die Stellung nicht hoch genug einschätzen. Sie hat einen der höchsten Posten des Reiches inne und besitzt das

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