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Roxelane

Titel: Roxelane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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den Käfig der Ehe zu begeben, so hätte sie selbst schon durch eine Liebschaft ihre Freiheit bedroht gefühlt.
    Nicht einmal in Rom wollte sie wohnen, um nicht durch Rücksichten beengt zu werden.
    Denn daß sie - selbst aus fürstlichem Geblüt und durch Heirat eine Colonna — weder in Florenz noch in Venedig oder in einer andern Stadt zu leben vermöchte, verstand sich von selbst.
    Nach dem Sacco jedoch, das Karls des Fünften Truppen der Hauptstadt der Welt bereitet hatten, nach dem Sacco di Roma waren die Vorteile einer schwer erreichbaren kleinen Stadt und einer uneinnehmbaren Burg auch Madonnas Kritikern klargeworden. Was war heutzutage sicher? Nichts. Und in Rom wuchs jetzt, soweit es sich um Kinder erfreulicher Damen handelte, eine neue Jugend heran, deren Väter man weniger unter den gesetzlichen Gatten als unter den siegreichen Soldaten hätte suchen müssen.
    Außerdem gab es auch genug Leute, die behaupteten, daß Donna Giulia, da sie schließlich dem Papst in Rom die Macht nicht völlig entreißen könne, es bei weitem vorziehe, sie in Fondi so unbeschränkt auszuüben, wie sie das zu ihrem seelischen Wohlbefinden brauche und wie das eben nur in Fondi möglich sei.
    Die Burg war ein alter Feudalbau. Ihr Kern stammte noch aus der Zeit Friedrichs des Zweiten, des burgenbauenden Hohenstaufen. Strebepfeiler wuchsen dreißig Meter und höher aus dem lebendigen Fels, und von den Fenstern hatte man einen weiten Blick über Berge, über Wälder und meist auch über das Meer.
    Die Burghalle lag der See zu nach dem Westen.
    Außer Madonna und ihren Ehrenmädchen, verschüchterten Geschöpfen, die den Mund nicht aufmachten, wenn die Herrin schwieg, und noch weniger, wenn sie sprach, und außer Don Felipe waren nur noch zwei Männer mittleren Alters im Raum.
    Es waren der venezianische Nobile Piero Bragadin, der langjährige Bailo der Republik bei der Hohen Pforte, und dessen Gastfreund und Begleiter, der Logothet des ökumenischen Patriarchats in Konstantinopel, Cyril Cantemir, aus dem einst so hohen Geschlecht der oströmischen Patrizier dieses Namens.
    Sogar Madonna betrachtete ihn den Gonzagas und Colonnas als ebenbürtig - er selbst sich als von weit vornehmerer Geburt.
    Er stand in der tiefen Fensternische gerade noch so, daß er es vermied, der Herrin den Rücken zu kehren, und blickte voll Sehnsucht zum Meer. Denn übers Meer war er gekommen.
    Wie ein ferner Strich erglänzte es und konnte ebensogut Wolke oder Himmel sein.
    Der Halle schenkte er keine Beachtung.
    Nach abendländischer Auffassung war sie wohnlich und reich - nach der seiner eigenen Heimat war sie dürftig. Statt Teppichen lagen Wolfsfelle auf den roten Fliesen, und die Sofas wurden durch hohe und steife Stühle ersetzt. An Stelle seidener Gewirke herrschten Leder und Filz, und an Stelle edler Metalle und Porzellane herrschten Kupfer und Blei.
    Eines freilich hätte ihn für jeden Mangel entschädigen können: ein Bild an der Ostwand.
    Es war eine Flora Raffaels.
    Nur war Cyrill nicht in der Lage, das Gemälde zu würdigen.
    Was jenseits der strengen Tradition der älteren byzantinischen Kunst war, galt ihm als Entartung. Und so sah er keine Flora, sondern nur eine unschicklich entblößte Frau.
    Cyrill Cantemir empfand sich hier wie überall in der Fremde und unter Barbaren. Und die Freiheit, die zu suchen er von Konstantinopel ausgezogen war, hatte er auch nirgends gefunden.
    Dieser Nachkomme der früheren Herren am Bosporus zeigte nichts von vergangener Pracht. Vom Hals bis zu den Füßen war seine hagere Gestalt in das faltige Gewand griechischer Kleriker gehüllt. Lang und schmal wie seine Hände war auch sein Gesicht mit den dicken schwarzen Balken über den großen Augen und den strichfeinen Lippen, die der Bart gerade noch sehen ließ. Seine Haare reichten ihm bis auf die Schultern, und auf dem Kopf trug er den schwarzen randlosen Zylinder byzantinischer Priester.
    Dieser Mann hatte Madonnas Neugier erregt. Wovon jedoch sollte sie mit ihm und Bragadin reden, mit zwei Männern aus Konstantinopel, wenn nicht vom Sultan, von Ibrahim und von Roxelane?
    Die Welt war voll von diesen Menschen, und Fondi lag nicht außerhalb der Welt. Allerdings war eine Bewunderung, die einer andern Frau als der Herrin von Fondi gezollt wurde, nicht ganz nach deren Geschmack.
    „Und diese Frau herrscht“, fragte Giulia und meinte Roxelane, „dabei ist sie doch nur eine heidnische Sklavin?“
    „Heidin?“ meinte Bragadin und überließ die Beantwortung

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