Roxelane
verhandelt worden war, schien ihm gelöst, und dies war die Stunde seiner vertrautesten Gespräche mit Roxelane.
Sie fühlte, daß ihn noch kein Verlangen zum Bett zog, und ging ihm mit leisem Lachen ins Nebenzimmer voran, hin zu den Karaffen, aus denen sie zwei Gläser füllte.
Soliman seufzte. - Und nun lachte sie laut.
„Du hast es gut“, sagte er mit einem nicht ernstgemeinten Vorwurf, du machst dir keine Sorgen. Ist dir denn im Diwan nichts aufgefallen?“
Er ließ seinen Blick über ihre Gestalt gleiten, die sich durch die Seide abzeichnete. Unter ihrem türkisblauen Kopftuch quollen zwei dicke Flechten hervor. Das Tuch war nur lose befestigt, und auch durch die Flechten wand sich kein Band. Nichts erschwerte es ihm, ihr die Haare zu lösen, wie er es liebte.
Sie aber schüttelte sie.
Ihr stand vorerst nach anderem der Sinn als nach einer Tändelei, und auch er wollte offenbar mit ihr reden. Sie wußte sogar genau, worüber. Aber nicht sie wollte davon beginnen.
Deswegen sprach sie von Laforet und scherzte über die tiefe Verwunderung, die sich auf dessen Zügen angesichts der Pracht des Diwans gezeigt habe. Sicher sei Frankreich nicht mit Reichtümern gesegnet, fuhr sie fort; aber auch in einem halbbarbarischen Land könne nun einmal niemand Alaun zum Färben entbehren, und so fördere ein Handelsvertrag zweifellos dessen Absatz. Nach Abschluß des Vertrages könne Frankreich kaum länger die Verbote der päpstlichen Kammer gegen die Abnahme türkischen Alauns vorschützen.
Soliman hörte ihr gern zu. Die wirtschaftlichen Zusammenhänge übersah sie schneller und klarer als er, auch da, wo sie persönlich nicht von ihnen berührt wurde. Er selbst betrachtete die Außenpolitik immer zuerst vom Standpunkt einer Machtpolitik und des Gegensatzes der militärischen Kräfte.
Dabei vergaß sie nicht, ihm einzuschenken, bis er plötzlich das Gespräch unterbrach.
Das alles sei es nicht, was ihm Sorge bereite, sagte er.
„Und was ist es dann?“ lächelte sie. „Wer bereitet dir Sorge?“
„Du, Ibrahim, ihr alle, auch mein neuer Kapudan Pascha Chaireddin.“
„Beginnen wir mit Chaireddin“, forderte sie ihn auf.
Und er kam sofort auf den Kern: „Warum kehrt er nicht zurück?“ Eine Pause entstand.
Sie blickte in ihren Kelch und ließ dann einige Tropfen des roten Weins über ihre Hände fließen. „Deswegen“, sagte sie.
„Er fürchtet sich?“
„Er fürchtet das Schicksal Iskenders.“
Das Wort war gesagt, das heute noch hatte fallen müssen.
Soliman erhob sich. Und wieder herrschte Stille.
Die Teppiche verschlangen den Schall von Solimans Schritten.
Er blieb stehen.
„Ich schätzte Iskender nicht weniger als du“, begann er. „Doch gerade du hattest keinen Grund dazu, es zu tun. Wie sehr du ihn aber noch immer verkennst“, fügte er bitter hinzu, „beweist wohl, daß du mir den Anblick von Nino Hanum nicht erspartest und sie jetzt gar zu deiner Hofmeisterin machen willst.“
Roxelane neigte ihr Haupt, als habe es sie tief getroffen, daß sich Soliman beklage.
„Du hattest Nino immer gern“, sagte sie dann leise. „Und wo hätte die Arme hin sollen? Verzeih, wenn ich dich daran erinnere. Bisher war es unerhört, daß kaiserliche Beamte die Frauengemächer betraten. Nach Iskenders Tode machte man aber auch vor seinem Harem nicht halt, und nicht nur, daß man Ninos Witwengut, ihre Morgengabe und ihre Mitgift einzog, man trieb sie auch aus dem Haus und ließ ihr weder ein Bett noch einen Stuhl.“
Es war wirklich so gewesen, wie es Roxelane sagte. Nach ihrem Beileidsbesuch bei Nino hatte Ibrahim es aus Ärger und Trotz verfügt. Soliman wußte nichts davon.
„Alle wissen es, nur du nicht!“ fuhr Roxelane fort. „Ich rede nicht von Ghasalis satyrischer Epistel, obwohl viele Stambuloten sie auswendig kennen und du sie im Basar um vier Asper das Stück kaufen könntest. Aber der Mufti war doch heute bei dir. Hat er dir nicht die Verachtung des Korans und aller Gesetze vorgehalten, die in deinem Namen bei diesem Verfahren an den Tag gelegt wurde?“
„Ibrahim ist so wenig davon bekannt wie mir!“ rief Soliman. „Und er wird die Übeltäter bestrafen. Ich will es. Ich verspreche es dir!“ „Ich habe Ibrahim nicht beschuldigt“, sagte Roxelane. „Aber bestrafen wird er die Missetat nicht, weil er sie selbst beging.“ „Ibrahim wird mich mißverstanden haben . . .“, murmelte Soliman. Und Roxelane empfand Mitleid mit ihrem Mann.
Aber abbrechen konnte sie die Schlacht
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