Roxelane
versuchte Soliman einzulenken, „ihn nicht und mich nicht. Sei versichert, er ist mein Freund. Und kann ein Sklave Freund sein? Er kann es nicht. Er kann lieben und hassen; aber Freund sein kann er nicht. Soll ich Ibrahim also verübeln, daß er kein Sklave ist?“
Sie wollte etwas sagen, doch er unterbrach sie.
„Churrem, meine Frau“, bat er, „darf ich dir erzählen, wie es um mich stand, als Ich in Magnesia Statthalter war? - Ich zitterte nicht um mein Leben, das nicht. Ich war ihm schon völlig entfremdet. Aber Ich wußte, daß meine Mutter in Stambul jeden Tag darum kämpfen mußte. In meinem Harem hatte Ich zwei Frauen - liebenswürdige Frauen -, nur daß ich leider ein Prinz und der Schemel ihrer Erhöhung war, so daß sie den Menschen darüber vergaßen. In meiner Umgebung konnte ich keinem trauen. Von niemand hätte ich zu sagen vermocht, ob er nicht bereits im Gürtel den Todesbefehl meines Vaters trage und nur auf die Gelegenheit warte, ihn zu vollstrecken. Damals, Churrem, traf ich Ibrahim, und für den war ich ein Mensch, nichts weiter. Und wenn ich auch zugeben muß, daß er über den Menschen den Padischah zuweilen nicht mehr bemerkt, so hat sich in dem einen, worauf es ankommt, doch nichts geändert. - Laß ihn mir, Churrem, Ich bitte dich.“
Mit diesen Worten hatte Soliman das Schwerste auf Roxelanes Nacken gelegt, und es sah so aus, als wenn sie ihr Haupt nie wieder erheben würde.
„Du sprachst von deiner Mutter“, begann sie leise, „ich dachte an sie.“
„Sie liebte ihn nie“, wollte er Vorbeugen.
„Sie fürchtete für dich“, sagte Roxelane, „wie ich für dich fürchte. Und ich habe geschworen, deiner Mutter habe ich geschworen. Das will ich halten.“
„Tatsachen, Churrem, und keine Vermutungen!“ mahnte Soliman. „Tatsachen“, antwortete sie.
„Beweise?“ „Den klaren Beweis!“
Soliman erbleichte.
„Den klaren Beweis sollst du haben“, fuhr sie fort, „soweit es auf dieser Erde noch einen Beweis gibt. - Wer Chaireddin zu dem Anschlag auf Fondi verleitete, sollst du wissen. Es war Ibrahim selbst. Sieh her!“
Sie hatte den Wandbehang zurückgeschlagen und auf eine Feder gedrückt. Nun öffnete sich die Täfelung, und Roxelane zog eine Schrift hervor, die sie Soliman reichte.
„Ich hatte heute keine Gelegenheit, dir das Schriftstück zu geben. Es ist Chaireddin? Immediatbericht.“
„Den er mir durch dich sendet?“ fragte Soliman.
„Sollte er ihn dir durch den Großwesir zuleiten, der sich seiner entledigen möchte, wie er sich Iskenders entledigt hat? Ich weiß, Chaireddin hat kein Recht zu unmittelbarem Bericht an den Thron. Aber ich denke, siebzig Schiffe und fünfundzwanzigtausend unersetzliche Seeleute sind eine Übertretung wert.“
„Sie sind es“, gab Soliman zu. „Was soll ich lesen?“
„Dies zuerst!“ sagte Roxelane und zeigte ihm die Stelle, die von Fondi handelte.
Und Soliman las.
Roxelane setzte sich abseits. Sie konnte den Gram nicht ansehen, der in Solimans Gesicht stieg.
„Du hattest recht“, sagte er dann mit einer Ruhe, vor der es Roxelane graute.
Zorn, Schmerz wären ihr lieber gewesen als diese Ruhe.
„Übereile dich nicht!“ hielt sie ihm darum vor. „Prüfe erst, ob Chaireddin nicht log.“
Sie sagte das nur, um ihn seiner Starre zu entreißen; denn sie selbst war überzeugt.
Aber Soliman war es ebenfalls.
„Hier ist nicht mehr zu zweifeln“, sagte er. „Wäre Chaireddin sich einer Schuld bewußt, hätte er sie weit eher auf den toten Iskender abgewälzt. Warum sollte er sich danach drängen, mit dem lebendigen Ibrahim zu fallen?“ „So wird Ibrahim fallen?“ stieß Roxelane nach.
Voll Erwartung sah sie ihn an.
Doch Soliman gab keine Antwort und setzte sich.
Er war plötzlich so müde!
Trotzdem gab sein Erinnern ihn nicht frei. Ganz klar sah er, hörte er wieder alles.
Er hatte Ibrahim gegenüber die Frage aufgeworfen, ob nicht am Ende ein anderer den Barbarossa verleitet haben möge, worauf Ibrahim in seiner gefälligen Art auf ein neues Thema übergegangen war und daran erinnert hatte, daß Fondi das alte Fundum der Römer sei. Ein Zitat Horazischer Verse war gefolgt. Es war die Schilderung gewesen, wie der Dichter mit seinen Freunden den Stadtschreiber, dessen breit verbrämte Toga sowie dessen Kohlenpfanne belacht hatten, die der Dummstolze sich zur Erhöhung seines Ansehens hatte vorantragen lassen.
Diese Anekdote war dann der Ausgangspunkt eines Gesprächs geworden, über das Soliman seine
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