Roxelane
kaiserlichen Steigbügel, und die Herren der Achsel hoben die Majestät unter Kanonendonner feierlich aus dem Sattel.
Der Kaiser stand. Der Krieg war zu Ende.
Der Empfang war es auch. Soliman bestieg seine Galeere.
Über die Toppen beflaggt, mit der Standarte des Propheten geschmückt, hielt sie am Mädchenturm vorbei unmittelbar auf die Serailspitze zu.
Bei den Batterien des Serails, ganz nahe beim Köschk Hebetullah, von dem die Kinder ihm zujubelnd winkten, landete Soliman. Und da ihm keine Mutter mehr lebte, die er zuerst hätte begrüßen müssen, begab er sich sofort ins Neue Serail und zu Roxelane.
Von dieser ersten Minute an ließ er sie Tag und Nacht kaum noch von seiner Seite.
Auch beim Empfang des französischen Botschafters mußte sie zugegen sein.
Sie saß hinter dem ,Auge des Reichs“, dem Spähfenster, von dem aus sie den ganzen Diwansaal übersehen und jedes Wort vernehmen konnte.
Mit Alphonse Laforet, Baron de Nivelle, hatte Franz von Frankreich eine gute Wahl getroffen. Laforet war kein großsprecherischer Degenheld, sondern ein gesetzter Geschäftsmann mittleren Alters, dem es im Bart und in den Haaren an Grau nicht fehlte.
Soliman kannte und schätzte ihn. Bereits in Bagdad war der Botschafter am kaiserlichen Steigbügel erschienen, um die Glückwünsche seines Herrn zum persischen Sieg zu überbringen. Nur die feierliche Einführung im Diwan fehlte noch, und Ibrahim hatte es damit eilig gehabt, weil ihm am Abschluß des Handelsvertrags mit Frankreich lag.
Vor dem Eintritt des Botschafters hatten nach der Tradition zwischen dem Großwesir und dem Padischah einige Sätze gewechselt zu werden, die für den Gast nicht gerade schmeichelhaft waren und auch mehr alttürkischer Derbheit und neutürkischem Hochmut als der Höflichkeit entsprachen, die sonst seit jeher in Konstantinopel gepflegt worden war.
Ibrahim meldete also, daß ein Bote des Krals von Frankreich nach der Glückseligkeit trachte, vor das Antlitz des Erhabenen Padischahs gelassen zu werden.
„Ist er gläubig?“ fragte Soliman.
Er sei es nicht, sagte Ibrahim.
„Alle Ungläubigen sind gleich“, erklärte Soliman, „und Allah verdamme sie alle!“
„Allah möge sie verdammen!“ wünschte auch Ibrahim.
„Ist er hungrig?“ erkundigte sich Soliman und gebot für diesen Fall: „So gib ihm zu essen.“
Der Ungläubige habe gegessen, versicherte Ibrahim und spielte dabei auf das Bankett an, das nach dem Zeremonial dem Botschafter hatte gegeben werden müssen, dem aber Soliman ferngeblieben war, weil der Kanun ihm überhaupt jedes Tafeln mit Sklaven verbot. Und alle Menschen waren in der Hofsprache Sklaven des Padischahs!
Da Laforet jedoch gegessen hatte, blieb nur noch eins übrig.
„Ziehe ihn anständig an und bring ihn herein!“ befahl Soliman. Immerhin bestand der anständige Anzug aus einem Zobelpelz im Wert von sechshundert Dukaten. Dafür konnte Laforet sich gern für eine kurze Zeit seinen Degen abnehmen und von zwei Kämmerern an den Armen festhalten lassen. Denn so und nicht anders führte man ihn in den Diwan.
Die Werbungsrede des Botschafters und seines Königs Geschenke fesselten Roxelane nicht sehr. Geredet wurde in solchen Fällen immer das, was jedermann schon vorher wußte, und Geschenke aus dem Abendland befriedigten selten. Ein paar silberne oder vergoldete Gefäße, einige wenige Edelsteine minderen Werts - das war gewöhnlich alles. Das Abendland war eben nicht nur ein finsteres, sondern auch ein armes Land. Schöne, herrlich gekleidete Sklaven und Sklavinnen, seltene und erstaunliche Tiere, köstliche Gewebe und Bücher oder gar Edelsteine, die an Größe und Feuer nicht ihresgleichen hatten - Geschenke, wie orientalische Gesandtschaften sie zu überreichen pflegten, brachten diese Europäer nie. Auch Laforet brachte sie nicht.
Unter diesen Umständen hatte Roxelane Muße, Ibrahim zu betrachten.
Die vollkommene Beherrschung aller Formen und Verhandlungen gaben seinen Bewegungen etwas künstlerisch Abgeklärtes.
Alle, auch die übrigen Wesire, brachten ihm dieselbe Ehrfurcht ent-gegen wie dem Kaiser, und es entging Roxelane keineswegs, daß sie ihn mehr fürchteten als Soliman.
Man konnte nicht selbstsicherer sein, als Ibrahim es offenbar war. Und doch hatte sich nach der Schlacht von Mohacs für den siegreichen Serasker Großwesir manches geändert.
Damals hatte er sich noch herausnehmen können, den Dichter Fighani für ein paar Spottverse über seine heidnischen Götterbilder auf
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