Roxelane
Maßnahme in der Öffentlichkeit erregen mußte. Mustafa war seinem Vater in Siwas wieder nähergetreten und glaubte nun, daß er es vor dessen kritischen Augen mit seinem Bruder Selim mehr als nur würde aufnehmen können.
Solimans Ältester kam also am Vormittag des fünften Oktober mit einem Gefolge von nur zweitausend Mann.
Zufällig ergab es sich, daß eine marschierende Janitscharen-Oda dem Prinzen begegnete.
Als sie nun Mustafas selber ansichtig wurden und der Offizier mit der goldenen Kuka die Ehrenbezeigung machte, fiel die Mannschaft trotz der eisernen Disziplin nur von sich aus und ohne Befehl in den rhythmischen Segenswunsch ein: „Langes Leben Sultan Mustafa Khan! Langes Leben! Alai!“
Mustafa, der herrlich geharnischt wie ein junger Gott daherritt, erfreute sich der günstigen Gesinnung und dankte, ohne die wenigen betretenen Gesichter in seinem Gefolge zu beachten. Dem Prinzen schien es nichts zu verschlagen, daß das Alai des langen Lebens von seiten der Janitscharen nur dem Vater und Padischah gebührte.
Doch für diese Gedanken blieb nicht viel Zeit, weil im Augenblick gerade der Kiaja des Großwesirs angeritten kam. Die letzte Strecke legte der Pascha freilich mit seinen Herren zu Fuß zurück, um dem Steigbügel des Kaisersohnes huldigen zu können, wonach er in seiner Eigenschaft als Generalquartiermeister dem Meterdschi Aga des Prinzen die Erhebung gegenüber dem Kaiserhügel anwies.
Unter den Klängen der Militärmusik wurden die seidenen Gemächer für Mustafa errichtet. Auch seine Zeltstadt deckte roter, goldverzierter Filz wie die des Vaters.
Während sich Selim eine Unterkunft beim Kaiser erbeten und auf eigne Prachtentfaltung verzichtet halte, lagerten sich Soliman und Mustafa fast wie zwei gleichberechtigte Sultane gegenüber. Und kaum stand des Prinzen Residenz, als auch schon die Großwürdenträger in Prozession erschienen. Die Wesire küßten Mustafa die Hand, wobei sich Rustem noch tiefer vor dem Schwager verneigte als die andern. Er brachte Ehrenkleider, darunter eine kostbare Kapanidscha vom Padischah, und auch die Wesire wurden daraufhin in dankbarer Erwiderung vom Prinzen beschenkt.
Als letzter erschien Sultan Selim zur Begrüßung.
Mustafa war dem Bruder vor das Zelt entgegengegangen. Das war Höflichkeit. Aber zugleich schmeichelte ihm auch die etwas eitle Erwägung, daß jedermann ihn und Selim während des Kusses und der Umarmung sehen könne, die gelöste Eleganz seiner kräftigen und geschmeidigen Gestalt und die Plumpheit des untersetzten Bruders. Trotzdem gelang im Zeltinnern ein Gespräch voll heiteren Gedenkens an gemeinsam genossene Freuden. Selim schien sich seines Nachteils dem Bruder gegenüber gar nicht bewußt zu sein und gab sich so unbeschwert wie nur je auf einem Kinderspielplatz im Neuen Serail. Mustafa wieder war seines Triumphes so voll, daß er sich sogar mit dem Ausdruck einer tiefen und untertänigen Verehrung nach dem Allerhöchsten Befinden Ihrer Majestät der Kaiserin erkundigte, wobei er nicht zu bemerken unterließ, daß er stolz darauf sei, der Allerhöchsten Frau nicht nur die erste Unterweisung im Peitschenschnellen, sondern vor allem auch unvergeßliche Eindrücke zu verdanken, die ihn auf ewig zum Schuldner und Sklaven Ihrer Majestät machen. Kampfspiele der beiderseitigen Sipahi, an denen sich auch die Prinzen beteiligten, kürzten die Zeit.
Die schweren Reiter trugen mit Schuppen besetzte Koller, gepanzerte Handschuhe bis zum Ellenbogen, runde oder viereckige Schilde und Helme, deren Schutz zumeist ein Turban verstärkte. Sie führten als Angriffswaffe die lange Lanze mit Fähnchen, im Gürtel steckte die Streitaxt, links hinter dem Krummsäbel hing der Karabiner mit der Mündung nach unten, rechts das Futteral mit den drei Wurfspeeren. Sie zu handhaben, war nicht leicht, und die Übungen, die vorangehen mußten, waren daher recht mühselig.
Zuerst hatte der Anfänger einen schweren eisernen Spieß von zweiunddreißig Pfund viele hundert Male so tief nur möglich in einen Sandhaufen zu werfen, worauf mit einem hölzernen Speer von doppelter Länge mehrere tausendmal der Weitwurf geübt werden mußte. Dann erst kamen mit dem richtigen Dscherid, der dem Neuling nun federleicht erschien, die Übungen in der Treffsicherheit an die Reihe. Immer wieder brachen die Zuschauer nach einem besonders gelungenen Wurf oder einer hervorragenden Verteidigung des galoppierenden Reiters in lauten Beifall aus, und auch Mustafa, dessen Kunst im
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