Roxelane
schrie Dschihangir. „Das ist nicht wahr!“
„Das haben dir also die Damen im Alten Serail verschwiegen?“ stellte Roxelane fest. „Und doch ist das der wahre Grund, warum die Janitscharen zurückgezogen wurden und erst mit dem Kaiser ins Feld durften. Schemsi deckte das Komplott auf.“
„Schemsi. . .?“ stöhnte Dschihangir. „Er war von Mustafa gekauft.“
„Schemsi nimmt Geld von jedem und tut dann, was er will“, sagte Roxelane ruhig. „Wenn wir schwach gewesen wären, hätte er uns an Mustafa verraten. Doch wir waren eben nicht schwach, und das haben deine Tanten übersehen. So kam denn Schemsi zu uns. Du aber, mein Sohn, weißt mehr, als du dürftest.“
Schemsi hatte sich schließlich doch entschlossen, in den Staatsdienst zu treten, und war schnell Aga der Sipahi und Pascha geworden. Noch als General der Soldreiterei hatte er jedoch seine Verbindung mit den Janitscharen aufrechterhalten. Roxelane erzählte weiter. „Während ihn in Askerai jedermann krank in seinem Zelt liegen glaubte, kam Schemsi heimlich in einem Gewaltritt nach Stambul. Er wußte alles.“
„Was wußte er?“
„Daß die Janitscharen sich verbunden hatten, deinen Vater abzusetzen und Mustafa zum Padischah auszurufen. - Bleib liegen, Dschinga, es ist nötig, daß du hörst. - Sie wollten die Sipahi zum Anschluß bewegen. Schemsi hatte das Schriftstück. Der Kaiser sei nun alt geworden, hieß es darin, und stelle sich nicht mehr in Person dem Feind. Dem Thronfolger Mustafa aber widersetze sich nur dein Schwager Rustem, der Großwesir. Es sei ein leichtes, dem jetzt den Kopf zu kürzen und deinem Vater im Serail zu Demotika die Ruhe zu gönnen, die er scheinbar so nötig habe.“
„Hat Mustafa das unterschrieben?“ ereiferte sich Dschihangir. „Nein? Sehen Sie, Mutter, er hat nicht! Soll sich Mustafa für aufsässige Janitscharen verantworten?“ „Er gab jedenfalls Schemsi den Auftrag, mit ihnen zu verhandeln.“ „Wie weit ging Mustafas Auftrag? Und wie weit ging Schemsi? Oh, Mutter, es ist alles nicht wahr! Was sagte der Kaiser?!“
„,Allah verhüte", sagte dein Vater, ,daß bei meinem Leben Mustafa Khan solche Unverschämtheit wage!'“
„Dann hat er ihn noch nicht verdammt! Und er darf ihn auch nicht verdammen“, rief Dschihangir. „Mustafa ist nicht schuldig. Er begehrt nichts als die Thronfolge.“
Seit ihrer Hochzeit hatte Roxelane diese Frage entschieden geglaubt. Kühn hatten sie und Soliman sich über den Kanun hinweggesetzt. Doch nun bedrohte er sie mit einer nachträglichen Rache. Wenn sie glückte, mußten ihre Söhne doch noch erliegen.
Über Ibrahim hatte sie gesiegt. Jetzt stand Mustafa gegen sie auf. Und ihr eigener Sohn Dschihangir war sein Freund!
„Nur die Thronfolge?“ fragte sie erschüttert. „Das sagst du mir? Du, mein Sohn? Weißt du, was Mustafas Thronfolge für deine Brüder bedeuten würde? Was sie für dich bedeuten würde? - Die Schnur der Stummen!“
Dschihangir verbarg sein Gesicht in den Kissen.
„Ich kann es nicht glauben“, widersprach er dann. „Ihr kennt ihn ja nicht, wie Ich ihn kenne. Er ist gut, er ist sanft, liebe Mutter, und denkt nicht an die Stummen. Sehen Sie mich an, liebe Mutter, wie häßlich ich bin, was für ein Krüppel ich bin. Er aber ist schön und ist klug, er ist ein Dichter, er ist alles, was ich nicht bin, und ich liebe ihn.“
Roxelane schloß die Lider.
Sie konnte die flehenden Augen ihres Kindes nicht ansehen. Denn sie mußte ihm weh tun.
„Er würde deine Brüder töten, wie er dich töten würde. Er hat es gesagt.“
„Wo? Wem?“
„Er hat es Schemsi gesagt.“
„Schemsi will Mustafa verderben!“ lehnte Dschihangir sich auf. „Wie er uns alle verderben möchte!“
Vor Leidenschaft brach seine Stimme.
„Mag sein“, räumte Roxelane ihm ein. „Aber du weißt, daß Schemsi immer nur die Wahrheit spricht. Es ist nicht seine Schuld, wenn man ihm nicht glaubt.“
„Mustafa liebt mich!“ wiederholte Dschihangir unzugänglich. „Glauben Sie mir doch, liebe Mutter, Mustafa liebt mich!“
„Ja“, nickte Roxelane und fuhr ihm sanft mit der Hand über das heiße Gesicht, „er liebt dich, wie Menschen weiße Lämmer lieben und mit ihnen spielen. Aber das hindert sie nicht, ihre Lämmer zu schlachten, wenn deren Zeit gekommen ist.“
Dschihangir setzte sich auf. Ganz klar und ruhig schien jetzt, was doch Roxelane nur für Fieber halten konnte.
„Man kann es auch anders sagen, Mutter“, begann er. „Die Spanier haben in
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