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Roxelane

Titel: Roxelane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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Indien ein neues Land entdeckt. Sie nennen es Peru, und die Leute dort sind Leute eines Inka. Bei diesem Volk wählen die Priester alljährlich einen makellosen Jüngling aus. Dem geben sie schöne Mädchen, auf daß er sich fortpflanze, und erweisen ihm in allem göttliche Ehren ein ganzes Jahr lang. - Dann aber feiern sie ein Fest in dem Tempel, der des Jünglings Wohnung war. Und der Tempel ist wie einst der Turm zu Babylon, der sich mit jeder Stufe verjüngte, und ein gemauerter Gang windet sich um ihn herum bis zur Spitze. Diesen Weg schreitet der Jüngling hinan, und jedesmal, wenn er eine Windung vollendet hat, läßt er einen Teil seiner festlichen Kleidung abgleiten von sich, bis er von der Sonne umstrahlt auf dem First in völliger Nacktheit verharrt. - Dann nehmen die Priester ihre heiligen Bogen und schießen ihm mit goldenen Pfeilen ins Herz. - Das Volk aber weint sein seligstes Weinen, weil es durch den Tod des Götterjünglings sich entsühnte.“
    „Wir sind keine Heiden“, wehrte sich Roxelane, und ihre Stimme zitterte dabei. „Außer Allah ist kein Gott.“
    „Und doch ist es in unserm Hause nicht anders“, begeisterte sich ohne Rücksicht auf den mütterlichen Jammer Dschihangir.
    „,Dieses haben die Ulema für erlaubt erklärt“, sagt der Kanun: ,Wer immer von meinen erlauchten Söhnen und Enkeln zur höchsten Macht gelangt, darf seine Brüder sterben lassen für den Frieden derWelt.““ „Dschangi!!“
    „Für die Ruhe der Welt, liebe Mutter! Kaiserliche Ehren empfangen wir Prinzen. Was können wir Besseres dafür geben als unser Leben, wenn es das Gesetz und das Glück der Menschen verlangt? Ein heiliges Leben gilt vor Allah mehr als die Herrschaft über die ganze Erde.“ Roxelane war verzweifelt. So sehr liebte ihr Sohn den Sohn der Saffieje, daß er sie, die ihn geboren hatte, darüber vergaß?
    „Ich liebe ihn, liebe ihn, Mutter! Ich kann nicht anders!“
    Leise erhob sich Roxelane, um zu gehen.
    Aber sogleich sprang Dschihangir auf. Unnatürlich glühten in dem zerquälten, blassen Gesicht des Krüppels die rot umränderten Augen. „Und Hamid?!“ rief er. „Habt ihr ihn abgefangen? Was hat er verraten? !“
    „Keinem Unberufenen ein Wort“, sagte Roxelane mit Betonung. „Weswegen, glaubst du, verließ ich Stambul? Keinem Dritten sollte dein Bote seine Geheimnisse anvertrauen. Nur mir.“
    Fast irr nickte der Prinz. Das Schlimmste schien eingetroffen zu sein. „Sie mußten zu ihm gehen, Mutter?“ fragte er. „Sie konnten ihn sich nicht mehr kommen lassen? - Dann lebt Hamid nicht mehr?“ „Nein“, bestätigte Roxelane, und in ihrer Stimme schwang tiefes Mitleid mit dem Sohn. „Er leistete Widerstand und starb an der Wunde. Aber er hatte einen Gefährten. Was wußte Hamids Freund von deiner Botschaft an Mustafa?“
    Es dauerte einige Atemzüge, ehe Dschihangir verstand.
    Dann schlug er vor Roxelane zu Boden.
    Er umklammerte ihre Knie und jagte sein Flehen zu ihr empor. „Helfen Sie, Mutter! Gewähren Sie Mustafa das Leben! Schreiben Sie dem Kaiser. Einige wenige Worte von Ihnen, und Mustafa wird leben. Wenn Sie es wollen, wird Mustafa leben!“
    ,Dein Handeln aber sei, nicht zu dulden, daß Mustafa ein Leid geschehe', klangen in Roxelane die Worte der Walide.
    Roxelane hatte geschworen. Ja, auf ihrer Seele Heil beschworen!
    „Und deine Brüder? Du selbst?“ fragte sie dennoch.
    Wiederum wartete Dschihangir mit aufgerissenen Augen. Dann erst wußte er, daß Roxelanes Frage ein Todesurteil war. Und mit einem lauten Schrei stürzte er vor der Mutter zusammen.
    Als Dschihangir die Augen wieder aufschlug, lag er in seinem Bett. Aus zerfließenden Nebeln tauchte das Antlitz der Mutter auf, die nie Wunden schlug und alle nur heilte, und in deren Armen Sicherheit war und Trost. „Wird er leben?“ fragte er.
    „Mustafa wird leben“, sagte Roxelane und versuchte zu lächeln.

48
    In der Tagundnachtgleiche des Herbstes küßte Prinz Selim zu Bulawadin dem Vater die Hand, um sich ihm dann für den Feldzug anzuschließen.
    Als aber das Heer in der Ebene von Eregli lagerte, erschien, von Soliman vorgefordert, Sultan Mustafa, Saffiejes Sohn.
    Er erschien, obwohl Dschihangirs Warnung ihn erreicht hatte.
    Im Grunde glaubte Mustafa nämlich nicht an eine Gefahr. Und wenn er seinen Sohn Osman und seine Frau Saba nach Brussa gebracht hatte, um Mutter und Sohn in den heiligen Schutz der Vorfahrengräber zu stellen - so war das mehr des Mitgefühls wegen geschehen, das eine derartige

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