Roxelane
Asmack, den Gesichtsschleier, vor, und dann erst bildete sich streng nach der Regel der Zug.
Ein Harfenlied, von den Sopranen weißer Verschnittener gesungen, wehte zart über ihn hin.
Blumen wurden gestreut, und über dem Haupt der Braut hielten ihre früheren Gefährtinnen einen Schleierbaldachin. Die höchsten Würden schritten ihr zur Seite, zur Rechten die Obersthofmeisterin, zur Linken der Kislar Aga, beide Wächter über des Kaisers Eigentum. Denn es war die Stunde.
Roxelane aber lächelte.
Ganz zuversichtlich lächelte sie. Ihr war zumute wie einem Menschen, der eine böse Nacht hinter sich hat und nun bei Tageslicht sieht, daß alles gar nicht so schlimm sei.
Kühl an ihrer Haut spürte sie die Perlen, und die hatten sie zu sich gebracht. Sofort war ihr der Anlaß für Solimans Wahl gerade ihrer Person wieder gegenwärtig gewesen, und nun sagte sie sich, daß ihre Furcht vor ihm nichts als törichte Eitelkeit gewesen sei. Denn der denke ja gar nicht an sie wie an eine Frau! Er habe nur nicht anders gekonnt und müsse jetzt obendrein noch der Form genügen. Und wenn er sie, die Unschöne, scheinbar der schönen Saffieje vorziehe, so sei das wirklich auch Strafe genug für den Stolz seiner Sultana, und sie, Roxelane, sei neugierig, wer von den beiden wohl nachgeben werde, Saffieje oder Soliman.
Dies alles schien ihr die Kette zu bestätigen.
Denn die sei selbst für ein kaiserliches Hochzeitsgeschenk zu kostbar, und so sei sie mehr als ein Geschenk, sie sei eine vorweggenommene Abfindung für die ihr bevorstehende ,Enttäuschung'.
Es belustigte Roxelane, daß die Männer so seien und daß kaum jemals einem einfalle, ein Mädchen könne ihn vielleicht gar nicht wollen.
„Conge gulsum timar in yok ..trillerten die Sänger:
„Du bist eine Rose, die sich keinem erschloß..
Das aber war gerade der Augenblick, in dem Roxelane am liebsten laut aufgelacht hätte, was freilich auf keine Weise zu verantworten gewesen wäre. Doch sie vergnügte sich gerade an der Vorstellung, wie unbehaglich sich Soliman jetzt wohl fühlen möge.
Daß ein Kaiser auch nur ein Mann sei, dachte Roxelane rebellisches Mädchengehirn.
7
Westlich von Serailspitze und Sommerharem, mit dem Blick über die Hafenausfahrt hin zu den Vorstädten Galata und Topchane, lag das Köschk der Hebetullah. Es war unmittelbar an die hohe Haremsmauer gebaut, an die sich die unteren Stockwerke anlehnten, während die oberen sie weiß und zierlich bekrönten. Wie ein Schaum, wie ein verwehter Schleierzipfel lugte das Filigran der Säulen und Spitzbogen, der Türmchen und Knäufe über die Mauer hinweg und verlockte die Gedanken der Männer und Frauen zu Träumen. Hebetullah hieß das Köschk nach der verstorbenen Schwester Solimans, und des Köschks Erbauung war mit einer Geschichte verknüpft, die seine ungewöhnliche Pracht erklärte.
Ein früherer Defterdar, ein Reichsschatzmeister, hatte von Solimans Vater den Bauauftrag erhalten, sich aber wegen der verschwenderischen Ausführung vom haushälterischen Selim wenig Dank verdient. Ein anderer Ausgang wäre auch kaum zu erwarten gewesen. Wenn die Pracht nicht getadelt worden wäre, hätte das kaiserliche Miß-fallen vermutlich erst recht allzu große Kargheit getroffen. Aufträge dieser Art wurden darum auch von allen Großwürdenträgern als sehr gefährliche Ehrungen angesehen. Sie waren mehr gefürchtet als begehrt.
Dennoch war in diesem Fall der Schatzmeister Sieger geblieben. Gegen Geschenke hatte nämlich der blutige Selim nichts gehabt, und als ihm erst bedeutet worden war, daß der Bau und die kostbare Einrichtung ihm von einem treu ergebenen Untertan ehrerbietigst zu Füßen gelegt worden seien, hatte er in erster Freude über den wohlfeilen Besitz gern die Belehnung mit ein paar Quadratmeilen wüsten und ertraglosen Landes bewilligt. Das war nämlich die einzige Gegengabe gewesen, die sich der bescheidene Spender erbeten hatte.
Das gesamte Vermögen des Defterdars steckte im Köschk, und Selim verlachte ihn wegen seiner Wüstenei. Aber bald darauf waren dem angeblichen Narren allein aus dem Holzschlag in seinem neuen Lehen Millionen von Aspern zugeflossen, und seine Erben gehörten noch jetzt zu den reichsten Leuten von Konstantinopel.
Dieses Köschk nun, das den kaiserlichen Schatz nichts oder sehr viel gekostet hatte, war von Soliman für sein Beilager mit dem Tatarenmädchen ausersehen worden, und nichts zeigte mehr als diese Wahl, wie gram er Saffieje Sultana sein mußte. Denn
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