Roxelane
türkischer Art auf dem bloßen Leib trug, ließ sie sich abstreifen.
Und wie sie jetzt, nur noch mit ihrer Haut bekleidet, dastand, erschien auf einmal die Voraussage von Nur Banus Eunuchen widerlegt durch das leuchtende Weiß, das Allah allen Leibern verlieh, denen der Teufel als sein Handzeichen rötliche Haare erweckte. Auch die edlen Linien, die der Allerbarmer in seiner Gnade gerade Roxelanes Körper noch hinzugefügt hatte, ziehen die Fachmänner von Perekop und Bagdscheserai der Oberflächlichkeit.
Doch das war Roxelane vollkommen gleichgültig. Etwas ganz anderes bewegte sie. Bis jetzt hatte sie alles geduldig mit sich geschehen lassen. Als die Auskleiderinnen ihr nun aber an den Hals faßten und sich an ihrem Medaillon vergreifen wollten, da lehnte sie sich mit Heftigkeit auf.
Mit beiden Händen umklammerte sie die Kapsel, und trotz aller berufsmäßigen Tyrannei von Badern, Haarkünstlern und Masseuren lächelte man sich in diesem Fall verständnisvoll zu.
Wie hätte die Hanum sich auch von ihrem Amulett trennen sollen, das ihr offenbar doch so viel Glück gebracht hatte! Ein Amulett war ein Amulett, und mochte man nun an Allah glauben oder an Christos, von einem Amulett trennte man sich nicht. Zumal nicht eine Dame.
Es gab wohl im ganzen Harem kaum ein weibliches Wesen, das nicht sein Amulett gehabt hätte, sowenig wie außerhalb des Harems. Selbst Barbarinnen umgaben sich mit Pfändern des Glücks. Die Misses am Hofe des jungen Heinrich von England, des achten seines Namens, ließen es ebensowenig daran fehlen wie die Donnas und Fräulein Kaiser Karls des Fünften oder die Demoiselles an der Hofhaltung des oft verliebten Franz von Frankreich.
Das war einmal so, und so sah denn auch niemand in dieser einen von vielen Badestuben des Serails ein, warum sich etwa Roxelane Hanum anders hätte verhalten sollen als alle andern Damen der ganzen übrigen Welt. Da gab es Steine und Federn, Fingernägel und abgeschnittene Haare, das getrocknete Auge eines Wiedehopfs oder ein Stück Knochen. Und was sonst nicht alles!
Roxelane aber trug ein Medaillon von nicht erheblichem Wert, das einzige Geschenk Mohammed Girai Khans und noch dazu eins, das ihr die Verbannung aus Bagdscheserai eingetragen hatte. Was freilich nicht viel besagen wollte. Denn in ganz Konstantinopel wäre es keinem Menschen eingefallen, freiwillig zu den Tataren zu gehen. Auch trug Roxelane den Schmuck weder zum Andenken an Bagdscheserai noch dem galanten Khan zu Ehren.
Nicht das Medaillon, aber der Inhalt war ihr kostbar. Es enthielt nämlich etwas, das Roxelane auf dem Sklavenmarkt und auch später bei mangelhafter Bekleidung immer in die Mundhöhle hatte stecken müssen. Nur deswegen, weil es jetzt so wohlverwahrt in der Kapsel liegen konnte, hatte sie das Medaillon begehrt, und das Seltsame war, daß es sich bei dem Inhalt nur um ein rötlich schimmerndes schäbiges Stück Blech handelte.
Doch niemals hätte sich Roxelane von Vater Serafims Kreuzchen getrennt, und so verteidigte sie es auch jetzt. Was aber nicht heißen sollte, daß Roxelane nun eine heimliche Christin geblieben sei.
Wenn sie auch ihren Gottglauben von Serafim hatte, so war ihr doch das Dogma von der Dreieinigkeit und vieles andere unverständlich geblieben. Den Koran dagegen hatte sie vom ersten Augenblick an begriffen, und so hatte man sie zum Islam gar nicht erst zu bekehren brauchen. Schon daß der Prophet nichts weiter als ein Reformator hatte sein wollen und ein Mensch, das machte ihn ihr vertraut. Und daß er einstmals den Ärmel seines Mantels abgeschnitten hatte, nur um eine darauf schlafende Katze nicht wecken zu müssen, erfüllte sie mit den freundschaftlichsten Gefühlen für ihn, der so viele Jahrhunderte tot war. Dazu kamen dann noch seine vernünftige Lebensauffassung und seine Duldsamkeit.
,Siehe, sie, die da glauben, die Christen und Johanneschristen, und wer immer an Allah glaubt und an den Jüngsten Tag und das Rechte tut, die haben ihren Lohn beim Herrn, und Furcht kommt nicht über sie, und nicht werden sie traurig sein.'
Dieser vierundfünfzigste Vers der zweiten Sure des Korans hatte Roxelane zusammen mit Mohammeds Katze zur Bekennerin gemacht. Doch nie hätte sie Serafims Gott preisgegeben. Sie konnte es gar nicht, gab es doch nur Einen, und dieser eine Gott war ihr die Gewißheit. Am Dnepr hatte er Christos geheißen, hier hieß er Allah, der Allerbarmende, Barmherzige. Aber es war immer derselbe Gott und dasselbe Gesicht. Für Roxelane war es
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