Roxelane
ihn um seinen Segen, um eine Fahne und um einen Namen zu bitten.
Der Heilige legte seinen Arm auf den Kopf des vordersten, daß der Ärmel des Derwischmantels dem Söldling hinten herabhing, und sprach: „Ihr Name sei ,Jeni Tscheri', die neue Truppe, ihr Angesicht sei weiß, ihr Arm siegreich. Ihr Säbel soll schneiden, ihr Speer soll durchstoßen. Immer sollen sie zurückkehren mit Wohlsein und Sieg! “ Von da ab trugen die Janitscharen die Ketsche, die hohe weiße Filzmütze, deren loses Ende ihnen in Erinnerung an den Derwischärmel hinten bis auf den Rücken reichte.
Auch das übrige Heer und die Verwaltung ordnete Alaeddin, während Orkhan das Reich erweiterte und Nicäa eroberte.
In völliger Eintracht herrschten so die Brüder als Fürst und als Minister, und niemals wurde ihre Liebe durch Eifersucht getrübt.
Immer begeisterter erzählte Soliman - so erglühte er an seiner Geschichte.
Und genau wie Orkhan und Alaeddin würden auch seine, Solimans, Söhne gemeinsam herrschen und sich niemals entzweien. Kein Kanun der Prinzen solle mehr den Mord gebieten und kein Blut mehr den Thron beflecken, wenn ein neuer Kaiser zu ihm hinanschreite. Soliman war zum Herrscher geboren, und so dachte er auch jetzt in Generationen. Er sprach von der Liebe; aber zuerst sprach er davon, daß in Liebe gezeugte Kinder sich immer geschwisterlich begegnen würden. Er sprach von Roxelane. Da nannte er sie die Stammutter eines jungen Geschlechts, ja einer neuen Völkerfamilie, da doch das kaiserliche Haus und die den Herrscher gebärende Mutier der Keim und die Wiege des Reichs seien.
Das alles sagte er als der Türke, der er war, dem eine Frau wahrhaft schön erst als Mutter wurde. Und er glaubte, was er sagte. Noch niemals hatte er sich so eins mit der von ihm beherrschten Welt gefühlt wie in diesem berauschenden Augenblick, noch niemals so sehr Herr der Gegenwart und Zukunft.
Doch je länger er sprach, um so mehr wuchs in ihm dies eine, daß er das kleine Mädchen aus der Tatarei begehrte, die Rosska vom Dnepr, genannt Roxelane.
Auch dies war ihm bisher nie geschehen, daß er jemals eine Frau so begehrt hatte wie jetzt dieses Mädchen. So sehr begehrte er sie, daß bald nichts mehr vom Eroberer in ihm war und vor diesem einen Gefühl alle seine großen Worte versanken.
Was byzantinische Kaiser mit einer demütigen Curialfloskel in ihren Erlassen schrieben: ,Unsere Uns von Gott verliehene Gemahlin' -Soliman fühlte es mit wirklicher und lebendiger Demut: seine ihm von Allah verliehene Frau!
Sie war ihm das Reich und die Zukunft. Sie zu durchdringen, in ihr zu vergehen, hieß ihm eins sein mit allem. Sie war ihm der Zipfel von Allahs Mantel, den Soliman erhaschen mußte, wollte er nicht verworfen sein.
Noch ehe er geendet hatte, liebte er Roxelane, so wie sie war, mit ihren kräftigen Backenknochen, ihrer vorwitzigen Nase, ihrem gefährlichen Mund. Ihren Leib liebte er, der ihn mit der vollendeten Brust durch die Schleier ihres Hemdes bestach.
Bis zum Erzittern liebte Soliman Roxelane.
Mehr als das Wort aber sprach die in seiner Stimme schwingende Erregung zu ihr. Bei diesem Klang verwandelten sich ihr die Kerzen in Sterne, und aus dem Sultan wurde für das Mädchen ein Mensch. Wie ein Bote aus jenen einfachen Zeiten erschien er ihr, da der schwarze Osman noch die Herden seines Vaters auf die Almen des kleinasiatischen Olymps trieb, wie ein Bote, der nur gekommen sei, eine Verheißung zu erfüllen.
Verheißen aber wurde das Leben.
Sie würde Kinder haben, auch Söhne! Und sie würden leben, diese Kinder, auch die Knaben! Leben würden sie, immer nur leben! Und sie würde einen Mann haben, der wie ihr eigener Sohn sein würde. Ein Gesicht näherte sich ihr.
Aber das war nicht Igors plattes, tatfrohes Männergesicht, und keine behaarte Brust schreckte.
War es Serafims Antlitz, das Christosgesicht des Mönchs, das Gesicht Allahs, des Allerbarmers?
Es war das Gesicht Solimans.
Aber es war nur Ein Gesicht, Ein Gott, Ein Mann.
Roxelane hatte einen Mann. Und sie liebte ihn.
Traumlos lag Soliman und wach. Neben ihm schlief Roxelane.
In einer gesunden Erschöpfung, die nur die Quelle einer neuen Kraft war, hob und senkte sich ihre Brust. Sorglos schlief sie, unversehrt von Solimans sengenden Blicken.
Der aber war unglücklich in seinem Glück. Er verzehrte sich nach der Frau, die er liebte und nach menschlichem Verstände besaß. Doch daß ihrer beiderseitigen Verschmelzung Grenzen gesetzt waren, erschütterte ihn. Er
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