Roxelane
hatten. O nein! Sie logen keineswegs! Die Leute ..
Nun aber hatte er eine Regung von Heiterkeit und Überraschung verwunden und schlug ihr den Schleier vollends zurück.
Und jetzt sah er zum drittenmal ihr Gesicht.
Das erstemal hatte es ihn gefesselt. Das zweitemal hatte er es nicht begriffen. Und nun betrachtete er es, als sei es das Siegel zu einer lichten Fröhlichkeit, die sich ihm noch erschließen müsse.
Man hatte ihn gelehrt, daß rote Haare unschön seien, wenn nicht gefährlich. Aber er sah nichts Gefährliches an ihren Zöpfen, auch an ihren Backenknochen nicht und nicht an ihrem brennenden Mund. Oder es war das Gefährliche, daß dieses Gesicht den ebenmäßigen Zügen der andern Damen so unähnlich war, daß es wie ein lachender Abgrund war, in den sich hineinzustürzen lockte, ein Abgrund diese erdunkelten grauen Augen ...
„Eure Majestät sollten mich nicht so ansehen“, drang ihre Stimme zu ihm. „Ihre Hoheit, Saffieje Sultana, wird sich um Sie bangen, genau wie Hochdero erlauchter Sohn, Prinz Mustafa. Ihre Hoheit mag -wenn mir diese Bemerkung erlaubt ist - unbedacht gehandelt haben. Aber nun ist ja der Form genügt, und Eure Majestät könnten wieder verzeihen und sich zu ihr begeben, die Sie lieben.“
„Roxelane...?“
Doch sie ließ sich nicht hemmen.
„Es sind nur noch wenige Tage bis zum Feldzug, Majestät. . .“ „Hanum .. .?“
Als etwas völlig Unfaßbares stand sie vor Soliman.
Eine Dame seines Serails, die er mit seiner Gegenwart beehrte, schickte ihn zu einer anderen. Zu seiner Chasseki zwar, doch gleichviel: zu einer anderen.
Soliman hätte nie gedacht, daß es so etwas gebe!
Und immer noch lockten die Augen, obwohl sie ihm wehrten.
Und ihre Stimme erregte ihn durch einen leichten Anflug von Rauheit über der Tiefe.
„Eure Majestät sahen sich genötigt, mich zu sich zu befehlen. Ich aber weiß zwischen dem äußeren Anlaß und meiner unscheinbaren Person sehr wohl zu unterscheiden. Für meine Niedrigkeit war der kaiserliche Befehl bei weitem zu viel der Gnade, und so bitte ich untertänigst, mich wieder in das Dunkel entlassen zu wollen, in das ich gehöre.“ Weder in den höfischen Worten noch im Ton lag ein Trotz. Soliman sah es geradezu vor sich, wie sie fröhlich und beseligt davonlaufen würde, wenn er es ihr nur erlaubte!
„Sie wünschen Ihre Entlassung aus meinem Serail?“ fragte er darum nicht ohne Schärfe.
„Oh, wenn das möglich wäre, Majestät...!“ rief Roxelane aber nur mit aufreizender Unbefangenheit, und ihr bittender Blick, mit dem sie ihm im voraus dankte, war so warm, daß er ihn als eine Beleidigung empfand.
,Es ist möglich', hätte er nun sagen müssen. Das wußte er sehr gut. Absichtlich hatte er mit seiner Frage weiter als sie mit ihrer Bitte gegriffen. Statt Entlassung aus seiner Gegenwart hatte seine Frage ihr völlige Verbannung in Aussicht gestellt.
Doch diese Tatarin schien ans Verbanntwerden so gewöhnt, daß sie sich offenbar nichts mehr daraus machte. Ganz ernstlich schien sie sich ein Schicksal zu wünschen, dem manches andere Mädchen den Tod vorgezogen hätte, nämlich die höchste kaiserliche Ungnade. Und angesichts einer solchen Verstocktheit wäre es eigentlich Pflicht gewesen, Roxelane gänzlichem und endgültigem Vergessen zu überantworten. Dennoch sprach er die verbannenden Worte nicht.
Er wollte mit seinem Zorn - und allmählich war er zornig geworden -nicht etwa ins Leere stoßen! Einfach entmachtet fühlte er sich, von einem stupsnasigen Tatarenmädel überwunden fühlte er sich, wenn -ja - wenn dieses Mädchens Bitte echt war.
An diesen Zweifel klammerte sich Soliman.
Ohne es selbst zu wissen, durchmaß er nachdenklich den Raum.
Nein, entschied er für sich, das sei nicht möglich! Nur Klugheit gestand er ihr zu, eine unerwartete Klugheit. Nach seiner Meinung habe
sie nichts Besseres tun können, sie, die anders sei als die andern, nun auch anders zu handeln.
Doch da Roxelane kein Auge von ihm ließ, dem Mann, der ihr Schicksal in seinen Händen hielt, so war es auch ihr Blick, der ihn bannte. Soliman blieb stehen.
Er zwang sich zu einer hochmütigen Neugier und sah sie an, als sei sie eine seltsame Erscheinung, wie etwa ein persischer Feuerschlucker oder ein indischer Fakir. Denn wenn sie ihm auch ein kühnes Spiel vorgaukelte, so war er doch davon überzeugt, ein Mann zu sein, der keineswegs einfach einem neuen Gesicht und neuen Worten erliege. Ganz sicher fühlte er sich, als er sie nun fragte: „Und
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