Roxelane
verging nicht in ihr, sie nicht in ihm. Immer blieben ein Du und ein Ich. Auch bei ihr konnte sich Soliman seines Ichs nicht entledigen, dessen er so überdrüssig war.
Und so war sein Verlangen durch die Erfüllung nur noch brennender geworden, und von Glück und Schmerz überwältigt, weinte er in den Leib seiner Sklavin, die ihn beherrschte und doch in völliger Unschuld neben ihm lag.
Bis zum grauenden Morgen bewachte Soliman ihren Schlummer. Dann entriß er sie ihren Träumen.
Vorzeitig weckte er sie, wie ihr schien, und erst tat sie alles, ihren Schlaf zu verteidigen.
Als ihr das aber nicht half, verwandelte sich plötzlich das junge, müde, unausgeschlafene Tierchen in eine zornsprühende Roxelane. Aufrecht stand sie im Bett, und die Wände wurden Zeugen des unerhörten Vorgangs, daß eine Hanum des Serails mit den geheiligten, grüngeränderten Kissen nach ihrem Padischah warf. Und dabei belegte sie ihn obendrein noch mit Namen, mit denen einst in Chortiza angreiferische Jungen von der Dame geschmäht worden waren. Soliman aber lachte. Das ganze gestaute Übermaß seiner Gefühle brach in diesem Lachen sich Bahn, alle grauen Schleier zerrissen vor seiner Seele. Seine Pantherin nannte er sie, seine Katze, und so herzbefreiend lachte er dabei, daß auch sie mit einstimmte und ihm jauchzend in die ausgebreiteten Arme sprang.
Der Sultan lachte.
Niemand hatte den melancholischen Soliman je lachen hören, und so war es kein Wunder, daß die Stummen jenseits der Tür die seltsamen Laute für einen Spuk hielten. Erst als nicht länger an dem menschlichen Ursprung des Lärms und den Urhebern zu zweifeln war, gaben sie durch Zeichen als ihre Wahrnehmung weiter: „Der Sultan lacht.“ Das Ereignis war zu groß, um im Köschk der Hebetullah verwahrt bleiben zu können.
„Der Sultan lacht!“ durchdrang es das ganze Serail.
„Der Sultan lacht?!“ fragte Lokman Aga, der Kislar, als man ihn weckte, und fertigte sogleich einen Eilboten an die Sultanin-Mutter ab, wobei er nicht hinzuzufügen vergaß, daß es offenbar Roxelane Hanum gewesen sei, die Seine Majestät zum Lachen gebracht habe. Und gerade als ein Schnellboot das Goldene Horn überquerte, um die Nachricht vom Lachen des Sultans zum venezianischen Bailo nach Galata zu bringen, sagte Soliman etwas.
„Wie ich dich liebe!“ sagte er zu Roxelane. „Und wie froh du mich machst, du Fröhliche! Churrem, die Gurrende, Fröhliche sollst du mir heißen.“
Rosska ... Roxelane . . . Churrem . ..
Namen kommen von Gott, sagten die Rechtgläubigen, und so hatte Rosska nichts gegen Roxelane gehabt, und Roxelane hatte nichts gegen Churrem.
„Churrem!“ sagte Soliman.
Doch da wurde es trotz der Nähe des Großherrn laut. Das Heer erwartete den Padischah in Kawak, und es war an der Zeit.
Soliman erschrak. Er hatte den Krieg vergessen.
„Churrem . ..!“ sagte er noch einmal, ehe er ging.
10
Der Tag nach Solimans Beilager mit Roxelane war für Frau Dede Semid keineswegs von minderer Bedeutung als der vorhergehende, und obwohl es ihr an denkwürdigen und stürmischen Tagen wahrlich nicht in ihrem Leben gefehlt hatte, war dies dennoch die Zeit ihrer höchsten Spannung. Mit einigem Recht war sie nämlich überzeugt, daß sich ihr das Leben, wie sie es verstand, noch ein letztes Mal gestellt habe und daß sie es packen müsse, wolle sie nicht in hoffnungsloser Alltäglichkeit versinken.
Dede Semid stammte aus dem mailändischen Haus delle Torre, und zwar aus dem Zweig, der die Heimatstadt mit Venedig vertauscht hatte. Ihr Vater war denn auch venezianischer Hafenkapitän zu Famagusta auf Zypern gewesen, als sie - ein fünfzehnjähriges Mädchen - gegenüber dem Dogenpalast mit ihrem Bruder eine Galeotte bestiegen hatte, um unter dessen recht jugendlichem Schutz zum Vater zu reisen. Dem jungen Herrn hatte eine Offiziersstelle, ihr eine Heirat mit einem Manne ihrer adeligen Kaste gewinkt.
Den Zukünftigen, der ihrem Vater so passend für sie erschienen war, hatte sie allerdings noch nie gesehen. Doch so oder ähnlich verheiratet zu werden, war die Bestimmung eines jeden Mädchens aus guter Familie und dem jungen Fräulein delle Torre als die geläufige Art einer ehelichen Versorgung durchaus nicht etwa anstößig erschienen.
Nur hatte ihr Schiff niemals Famagusta erreicht.
Auf der Höhe von Modon wurde es von einer tunesischen Galeere gekapert, worauf die Besatzung der eroberten Galeotte das übliche Los traf.
Was kräftig war, wurde an die Ruderbänke des
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