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Roxelane

Titel: Roxelane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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wohin würden Sie sich wenden, Hanum, falls ich Ihre Bitte erfüllte?“
    „Nach dem Norden“, sagte sie, ohne sich zu besinnen.
    „Nach dem Norden? Nach Bagdscheserai?“ erkundigte sich der Kaiser, und es gab ihm einen kleinen Stich, da er bei Bagdscheserai an Mohammed Khan dachte.
    Doch zugleich rächte er sich auch schon.
    „Erwarten Sie für sich einen so guten Empfang von seiten meiner Tante Nur Banu?“ fragte er noch.
    Roxelane verneinte.
    „Höher zum Norden möchte ich.“
    Soliman runzelte die Brauen. Schließlich war er der Beschützer von Mekka und Medina, also Kalif, Beherrscher der Gläubigen, Statthalter des Propheten.
    „Zu den Christen?“ fragte er. „Zu den Heiden?“
    „Zu den Steppen!“ lachte Roxelane und sprach von der Lust des Reitens, vom Herdentreiben und der Jagd, nur von den Tataren sprach sie nicht und vom alten Kosakenstreit. Aber sonst vergaß sie fast die kaiserliche Gegenwart, so sehr riß die Erinnerung sie hin oder das, was sie für Erinnerung hielt und was nichts weiter als Traum war. Aber ein lebendiger Traum. Denn sie hatte Männer gekannt, die das alles erlebten, und sie hatte über alles gewünscht, ihnen zu gleichen. Und nun lauschte Soliman doch den neuen Worten einer Sklavin, deren Seele so frei war. Ihre Stimme hüllte ihn ein, und fast glaubte er nicht mehr an ein noch so kühnes Spiel dieser Frau. Ihre Sehnsucht nach einem starken Leben, selbst ein Wild in der Wildnis, schien so echt, daß er beinahe wünschte, es mit ihr zu erleben.
    Er erschrak über sie, über sich.
    Klarheit wollte er.
    Fortschicken wollte er sie, und wenn auch nur ein Schatten des Bedauerns ihre Züge überlaufen sollte - dann hatte sie zu gehen. Endgültig!
    Mit diesem Entschluß neigte er sich auch schon der großen Bronzeschale inmitten des Zimmers zu und brachte sie durch eine silberne Kugel, die er hineinwarf, zum Klingen.
    „Sie sollen Ihre Steppe wiederhaben“, versprach er Roxelane.
    Und kaum war der reine und klare Ton der Schale verhallt, als der Tschokadar im Gemach stand.
    Eine Stille der Erwartung und Entscheidung breitete sich aus. Soliman durchforschte Roxelanes Gesicht.
    Der warme Blick einer Abschiednehmenden war in diesem Gesicht, aber kein Zögern, als er nun das Zeichen der Entlassung gab. Mit wenigen, weit ausholenden Schritten war Roxelane am Ausgang.
    Das Zögern war ganz allein bei Soliman.
    „Schicken Sie . .begann er und verharrte . . .
    Ein fragender Blick der niedergesunkenen Roxelane traf ihn.
    Der Tschokadar wagte keinen Blick.
    „Schicken Sie ... die Stummen fort, Tschokadar“, vollendete Soliman, „sie belieben der Hanum nicht.“
    Der Großeunuch verneigte sich tief, und sein Kommen und Verschwinden zeigten Roxelane, daß sie mit Soliman nicht ganz so von allem auf dieser Erde abgeschieden gewesen war, wie sie das bis jetzt geglaubt hatte. Roxelane erhob sich jäh.
    „Und ich...?!“
    Doch da hatten die Teppiche den Tschokadar gleichsam schon eingeatmet, und nun war es wieder Soliman und nur er, der sie ansah. „Sie bleiben.“
    „Ich will nicht!“ rief Roxelane.
    Mit der ganzen Wildheit eines Menschen, der nichts mehr zu verlieren hat, rief sie es.
    Denn dieses stand hinter dem Mann und dem Mädchen: daß den Sultan zu verschmähen ein Verbrechen bedeutet, um so todeswürdiger, als es unerhört war, und daß Sklavinnen des Serails zu allen Zeiten um weit Geringeres in einen Sack genäht und in den Bosporus versenkt worden waren, gerade wie die Marinka es damals in Chortiza schon einmal für Rosska verlangt hatte.
    Aber Roxelane stand trotz allem wie eine gebuckelte, fauchende Katze vor Soliman.
    Der jedoch erfühlte ihre Gedanken.
    „Wegen der Stummen willst du nicht?“
    „Wegen der Stummen nicht!“
    „Willst du dich gegen den Kanun des Eroberers auflehnen?“
    „Ich will keine Söhne von dir!“
    „Keine Söhne von mir?!“ empörte sich Soliman und vergaß, daß auch er heute selbst schon gedacht hatte: Keine Brüder für Mustafa! „Und das Reich?“ fragte er jetzt. „Und die Nachfolge? Soll die Familie Osmans zugrunde gehen? Soll ihr Bestand lange, gefährliche Jahre hindurch auf vier Augen beruhen, nur weil es einem Mädchen nicht gefällt, kaiserliche Prinzen zu gebären, deren Leben immer bedroht ist?!“
    „Es gibt noch andere Mädchen als mich“, trotzte Roxelane.
    „Was einer nachgesehen wird, ist allen gewährt!“ schüttelte Soliman ihren Einwurf ab. „Und wie oft ist ein Spätgeborener zur Herrschaft gelangt! Wie oft

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