Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Roxelane

Titel: Roxelane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
Vom Netzwerk:
sind Frühgeborene umgekommen oder gestorben! Sieh um dich! Wie viele Samen läßt Allah vergehen, ehe er einem den Segen gibt!“
    „Und Saffieje?“ versuchte sie ihn. „Ihr Sohn wird leben!“ stieß sie mit aufglimmendem Haß hinterher.
    Soliman aber hob abwehrend die flache Hand.
    „Sein Leben steht bei Allah, wie deins, wie meins.“
    Roxelane wandte ihren Kopf fort.
    Sie hatte dem Mann in Soliman schon zuviel gesagt. War ihr Leib ein ausgeworfener Same? Oder sollte er nicht viele Tage und lange Nächte in Entzücken und Weh das wachsende Leben verspüren? Eine Zweckmäßigkeit ihr Leib? Eine Zweckmäßigkeit der in Schmerzen geborene
    Sohn? Sein erster Schrei, sein Blick, seine ersten tastenden Schritte, sein Heranwachsen zu einem starken Knaben, einem wißbegierigen Jüngling, einem Mann von Erkenntnis ... alles, alles nur, um dereinst mit seinen Söhnen - ihren Enkeln! - der Schnur der Henker zum Opfer zu fallen? Nein!
    Voll kaltem Haß hob sie ihre Augen zu ihm, der sie lehren wollte: „Ich will dich nicht, Sultan Soliman Khan.“

9
    Roxelanes Wort war gesprochen.
    Aber dieser Tag hatte mit Feindschaft gegen alle Regeln begonnen, und so folgte auch kein Todesbefehl ihren Worten.
    Ohne daß sich sein Bewußtsein Rechenschaft darüber ablegte, fühlte Soliman bei ihr die Tiefe einer Urmütterlichkeit. Er begriff mehr, als er erkannte, daß Roxelanes Unbedingtheit es ablehnen mußte, einem willkürlichen Tod zu gebären, der dem Willen des Schöpfers widersprach. In dieser Stunde am Wegkreuz war aus dem Mädchen ohne Empfängnis eine wache Mutter geworden. Durch kein Abirren der Geschöpfe war sie mehr einzuschläfern, durch keine Verlockung zu betören. Unmittelbar berührten sich Mutter und Gott.
    Soliman aber sah sich zum erstenmal verschmäht.
    Einer seiner unbedenklicheren Vorfahren hätte vielleicht wirklich versucht, die Schmach zugleich mit dem Leben des unbotmäßigen Mädchens auszulöschen. Das freilich war für den vielfältigeren Soliman völlig unmöglich. Gerade durch Roxelanes Tod wäre ja seine Demütigung unwiderruflich geworden! Etwas ganz anderes wuchs ihm aus ihrem Verschmähen zu: Statt Städte und Länder hatte er zum erstenmal in seinem Leben eine Frau zu erobern.
    Nur dies eine empfand er: erobern! Ob es ihm dabei mehr auf das Erobern oder auch auf die Frau ankam, hätte er selbst am wenigsten zu sagen gewußt, wie er denn überhaupt von nun an mehr ein Getriebener als ein Wollender war.
    Als er dann aber seine Geschichte begann, eine wahre Geschichte, die Geschichte Orkhans und Alaeddins - da waren kein Kaiser und keine Sklavin mehr im Raum.
    Fast zweihundert Jahre waren verflossen, seit Osman, Sohn des Ertoghrul, gestorben war. Und das geschah keineswegs in Konstantinopel, wo noch christliche Kaiser prunkvoll regierten, auch standen in Asien, Afrika und Europa noch viele mächtige Throne, die erst später vor dem Geschlecht Osmans dahinsanken.
    Nichts hinterließ Osman Bey als einen Löffel, ein Salzfaß, einen verbrämten Rock und einen Kopfbund von Leinwand. Dazu aber kamen schönes Vieh für den Acker, Pferde und Waffen und Männer, die Pferde und Waffen zu gebrauchen wußten. Ferner hinterließ er das Land um seine Burg Karadschahissar und Brussa, die Stadt - vor allem aber zwei Söhne.
    Orkhan und Alaeddin.
    Auch Osmans Hände waren nicht frei von Verwandtenblut gewesen. Doch einen Kanun der Prinzen hatte es damals noch nicht gegeben, und sein Verbrechen hatte er nicht seinen Söhnen vererbt.
    Nach des Vaters letztem Willen folgte ihm Orkhan als Bey.
    Doch wenn Orkhan nun auch Alleinherrscher war - die väterlichen Herden wollte er gern mit seinem Bruder teilen.
    Der aber, Alaeddin, begehrte nur ein Dorf, um darin zu wohnen. „Gut“, sprach Orkhan.,,,Wenn du die Herden von Rindern und Schafen und Pferden nicht willst, so weide mir die der Menschen.“
    Und so wurde Alaeddin der erste Wesir der Osmanen.
    Ihm verdankte das Reich die Grundlagen aller Gesetze, die Münze, die Ordnung des Kopfbunds, damit sich die Rechtgläubigen in ihren Würden unterscheiden und nicht in goldgestickten Griechenhauben herumlaufen sollten, und schließlich verdankte es ihm die Janitscharen.
    Christenkinder waren die Janitscharen, die als junge Sklaven im Islam erzogen wurden. Ein streitbarer Mönchsorden waren sie, weil sie nicht heiraten durften und für den wahren Glauben und Allah zu sterben hatten.
    Auch ihre Einweihung war mönchisch.
    Man stellte sie vor den Derwisch Hadschi Begtasch,

Weitere Kostenlose Bücher