Roxelane
Überwinders geschmiedet. Die Überzähligen und die Besonderen kamen zum Zwecke des Verkaufs in die Sklavenspeicher von Tunis.
Mit den beiden Geschwistern aber verfuhr der Korsar Melik weit glimpflicher.
Melik war der siegreiche Reis, der Schiffshauptmann. Er war also auch der Beuteherr. Seine Rücksicht entsprang jedoch nicht etwa einer Menschenliebe oder Ritterlichkeit, die ihm fremd waren, sondern er übte sie ausschließlich in Erwartung der guten Dukaten eines reichlichen Lösegelds.
Sonst hätte der tüchtige Mann keinen Augenblick gezögert, den Bruder dem Verschneidungsmesser auszuliefern und ihn zum Eunuchen machen zu lassen, weil hübsche junge Eunuchen gerade sehr begehrt waren. Und auch das Mädchen wäre sonst wohl kaum so sorglich vor allem bewahrt worden, was ihren jungfräulichen Wert hätte beeinträchtigen können.
Wenn ihm das vorteilhaft erschien, konnte Melik Reis sich in bezug auf seine Ware sehr wohl noch zurückhalten, und in diesem Fall wurde seine Geduld denn auch belohnt. Der Bailo, der venezianische Konsul selbst, streckte namens der Signoria von Venedig das beträchtliche Lösegeld vor, und jetzt hätte der Weg in die Freiheit beiden Geschwistern offen gestanden, wenn - der Schwester diese Freiheit noch verlockend erschienen wäre.
Das jedoch war nicht mehr der Fall.
Das Leben der Beatrice delle Torre war zu Ende, ehe es begonnen hatte. Daran konnte die Freiheit, sich zu ihrer Familie zu begeben, und konnte auch die Unversehrtheit, die sie Melik Reis’ Geschäftssinn verdankte, nichts ändern.
In ihrer heimischen Welt wäre sie immer eine Angezweifelte geblieben. Beatrice war nun einmal durch die Hände von berberiner Korsaren gegangen - darüber nicht zu sprechen, das hätten die wohlanständigen Damen, denen dies Unglück nicht widerfahren war, geradezu als Raub an den ihnen vom Leben zugemessenen Genüssen empfunden. Kein Mensch hätte Beatrice geholfen.
Der unbekannte Verlobte hätte es gewiß nicht getan.
Aber auch ihre eigene Familie wäre vor dem Getuschel und vor den Gefahren der Lächerlichkeit zurückgeschreckt. Vater und Brüder hätten keine Lust verspürt, stets mit gelockertem Degen herumzulaufen, um bei der geringsten Veranlassung einen Spötter oder den nächsten männlichen Verwandten einer Spötterin aufzuspießen, vielleicht sich gegebenenfalls auch aufspießen zu lassen.
Diese Männer, die dem Mädchen ein Schutz hätten sein sollen, wären sofort auf das Wort Ehre und damit zugleich auf das Heilmittel für eine beschädigte weibliche Ehre verfallen, mochte die Beschädigung nun wirklich oder nur eingebildet sein.
Man hätte Beatrice also in ein Kloster strenger Observanz gesteckt. Durch das Kloster wäre die Lage von Grund auf geändert worden. Denn einer religiösen Büßerin etwas Übles nachzusagen - das hätte
nicht nur für die gesellschaftliche, sondern auch für die kirchliche Stellung eines jeden sehr gefährlich werden können.
Das alles nun sah auch Beatrice ganz genau.
Schon das Verhalten des Bailo und des eigenen Bruders ließ ihr keinen Zweifel darüber, daß ihr zu Hause nur noch ein vergittertes Leben beschieden sein würde. Davor graute es ihren fünfzehn Jahren.
Es war demnach die Furcht vor dem Kloster, die sie das Denken lehrte. Und als sie damit erst angefangen hatte, verloren viele schöne Worte sehr bald ihren Sinn.
Auch das Wort Freiheit konnte sie nicht mehr berauschen. Denn sie sagte sich, daß sie mit dem, was ihr Bruder so nenne, nur in eine grausame Sklaverei gerate, mochte der Name sein wie er wolle. Bleibe sie dagegen, statt ins Kloster zu gehen, was sie sei, eine Sklavin in Tunis, so bewahre ihr das Schicksal immer noch ungemessene Lebensmöglichkeiten, um die sie allerdings kämpfen müsse.
In dieser Erkenntnis faßte sie ihren Entschluß.
Sie verzichtete auf die Familie delle Torre, die sie vor der Gefangennahme nicht hatte beschützen können und trotzdem jetzt aus Familienrücksichten das Opfer ihres Lebens verlangte. Sie aber wollte leben und wollte kämpfen. Und in Wirklichkeit war sie mit ihrer Zukunft auch schon allein gewesen, als sie in Venedig die Galeotte bestiegen hatte. Selbst machte sie daher Melik Reis, dem guten Rechner, den Vorschlag, sie doch vor ihrer Auslieferung an den Vater lieber erst zum Verkauf zu stellen, ob ihm nicht vielleicht ein Wohlgeneigter mehr als das Lösegeld für sie zahle.
Melik Reis war erst überrascht und witterte dann ein Geschäft.
Sie freilich gab sich damit dem
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