Roxelane
Sklavenhändler und seinen Gehilfen preis, überlieferte sich aus eigenem Willen den Augen und Händen der Kauflustigen und solcher, die vorgaben, es zu sein. Und sie hatte sich in Venedig, das zum Ärgernis der Christenheit seinen Sklavenmarkt so gut wie Tunis hatte, doch sonst immer vor dem Los dieser armseligen Geschöpfe entsetzt, zu denen sie nun selbst gehörte. Aber immer wieder, wenn die Scham des behüteten Mädchens sie mit Herzstocken und Erröten überfiel, dachte sie an das Geißeln der Nonnen, die dabei ja auch ihrer Kleider beraubt wurden.
Aus diesen Bildern, die sie so lange beschwor, daß sie sah, hörte und fühlte, was sie dachte, schöpfte sie dann die Kraft, sich in alle Unvermeidlichkeiten eines Sklavenhandels zu schicken, dessen Gegenstand sie selbst und ihr eigener Körper waren.
Doch nicht um nichts und wieder nichts, nicht um Sünden, die sie nie begangen hatte, ertrug sie diese Demütigungen. Wohl litt sie, jedoch nur eine kurze Zeit, und auch das nur, weil sie sich damit von lebenslänglicher Gefangenschaft und einer seelenbeugenden, harten Zucht freikaufen wollte, für die sie sich nicht geschaffen fühlte.
Und was sie wollte, gelang ihr!
Denn ob es auch fast schon so ausgesehen hatte, als wolle niemand das hohe Lösegeld überbieten, erhielt Melik Reis zuletzt doch noch ein vorteilhaftes Angebot.
Der Agent des kaiserlichen Harems zu Konstantinopel erwarb sie für eine Summe, gegen die ihr Lösegeld sich wie ein jämmerliches Trinkgeld ausnahm.
Sie freilich wäre auch mit einem geringeren Los zufrieden gewesen: Doch beides zusammen, das Serail des Großherrn und der für sie bezahlte Preis, begründete einen höheren Stolz in ihr, als Geburt, Erziehung und gesellschaftliche Stellung ihr jemals hätten geben können.
Es war ihr erster Sieg, den sie niemand und nichts als nur sich allein verdankte. Und an diesem Tage hörte Beatrice delle Torre auf zu sein. Von diesem Tag an gab es nur noch eine Dede Semid.
Dede Semid jedoch blickte sich nicht um wie Lots Weib. Sie sehnte sich nicht nach einer Vergangenheit, in die es für sie keine Rückkehr mehr gab.
Der Westen versank ihr, und der Osten tat sich ihr auf.
Mit der Inbrunst eines Menschen, der bereits von seinem schlimmsten Tode angerührt worden war, lebte sie ihr neues Leben, ihre glücklichen und schweren Tage.
Immer dankbar für das Leben, hatte sie sich ihren Mann erobert, dem man sie gegeben hatte, war sie Frau und Mutter geworden. Und niemals hatte Dede Semid bereut.
Heute aber, nach dreißig Jahren, war sie wieder ebenso entschlossen wie damals bei ihrem Vorschlag an Melik Reis.
Rückhaltlos bekannte sie sich zu Roxelane.
Zwar versuchte sie sich dabei einzureden, sie tue es für ihre Söhne, und das war auch wahr. Doch fast mehr noch tat sie es für Roxelane, der sie eine Liebe entgegenbrachte, die tief und dienend und nicht nur mütterlich war.
Nein! Frau Dede Semid wollte es nicht zugeben: Auch Roxelane selbst durfte die vergangene Nacht nicht wieder auslöschen, als wenn nichts gewesen sei. Sie durfte sich nicht wieder in einen Saal verkriechen, um ihn wie zuvor mit einer Gouvernante, sieben Guedlicki und ein paar alten Dienerinnen zu teilen.
Dede Semid war entsetzt gewesen, als Roxelane plötzlich in der Tür gestanden hatte, ohne in ihrer Heiterkeit der spöttischen Scheelsucht ihrer früheren Gefährtinnen auch nur zu achten.
Ganz allein war sie gekommen, in ihre Feredescha gehüllt, mit dem Futter in Rot nach außen, da ja Rot auch eine kaiserliche Farbe sei, aber weniger Aufsehen errege als Grün. Wie ein verlaufenes Mädchen war sie zurüdegekehrt, sie, die unter Gesängen und großem Geleit gegangen war.
Was war geschehen?
Das Geleit und der Dienst des ,Ersten Morgens' warteten wohl immer noch im Köschk Hebetullah. Hierfür lagen so genaue, für jeden Fall gültige Bestimmungen vor, daß nichts Besonderes anzuordnen gewesen war.
Aber darüber hinaus war nichts bestimmt worden.
Haremsmäßig gesehen schwebte Roxelane in der Luft. Es fehlte ein Hatti Scherif, ein kaiserliches Handschreiben, das ihr Stellung und Ausstattung angewiesen hätte.
Und so war Roxelane denn froh gewesen, sich heimlich und ohne Geleit davonmachen zu können, mochten dadurch auch die ehrwürdigsten Überlieferungen verletzt worden sein.
Wozu hatte sie ein Geleit gebraucht, wenn niemand etwas darüber bekannt gewesen war, wohin man sie hätte geleiten sollen?
Die folgende halbe Stunde aber hatte Frau Dede Semid ganz auf
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