Roxelane
Art.
Solimans einer Schwager, Mustafa Pascha, der zweite Wesir, ein schon etwas alternder Herr aus Slawonien, wurde nun doch zum Serasker ernannt. Er sollte mit der Flotte und dem darauf eingeschifften Vortrupp nach Rhodos vorausfahren und die Belagerung der Inselhauptstadt beginnen.
Der Kaiser dagegen wollte mit der Hauptmacht von hunderttausend Mann zu Land nachkommen, worauf das Heer, wie kein Mensch zweifeln durfte, den Ordensstaat zu erobern hatte.
Auch für den anderen Schwager, den dritten Wesir, Ferhad Pascha, fand sich eine Bestallung. Er wurde kaiserlicher Generalkommissar
in Kleinasien, gewissermaßen der Großinquisitor der Statthalterschaften und Vasallenstaaten, und das war eine Ernennung, die allgemeines Schmunzeln hervorrief. Denn man kannte Ferhad, diesen jüngeren Mann Mitte dreißig, einen Kroaten aus Sebenico in Dalmatien. Er war kriegerisch, heftig, grausam und ebenso geizig nach Ehre wie nach Geld. Man fand also, seine Aufgabe diene zu gleicher Zeit dazu, das Lehensreich Sulkadr und die karamanische Landschaft in Ruhe zu halten, wie auch den unbequemen und übergangenen Ferhad selbst während der Abwesenheit seines kaiserlichen Schwagers aus Konstantinopel zu entfernen.
Ein dritter Träger der golddurchzogenen Kalewi, Achmed Pascha, folgte dann wieder dem Herrn, während der Großwesir Piri Mustafa bis auf seine Ehrenvorrechte schon so gut wie entmachtet war und zu Hause bleiben mußte.
Obgleich er noch unter Selim die berühmte Entscheidungsschlacht bei Tschaldiran gegen Persien gewonnen hatte, war er inzwischen ein friedliebender alter Mann geworden, und man sagte ihm Sympathien für den Johanniter-Großmeister l’Isle Adam nach, der seinen Jahren auch besser entsprach als die unruhige Jugend seiner Umgebung. Jedenfalls hatte der greise Pascha trotz des Einverständnisses, das die Pforte mit zwei Verrätern in Rhodos unterhielt, einem jüdischen Doktor und dem portugiesischen Ordenskanzler Amaral, dem Feldzug ständig widerraten.
Sonst war alles bereit.
Alles wartete nur auf einen Wink des Herrn, und die unheilträchtige Wolke, die sich am Bosporus ballte, mußte sich über der Insel entladen, deren Herren Soliman dem Untergang geweiht hatte.
Noch allerdings war die Stunde des Aufbruchs nicht bestimmt.
Und inzwischen war der Harem auch nicht müßig!
Es hatte zweifellos etwas zu bedeuten, daß die Walide Hafsa Chatun Sultana ihren Sitz im Alten Serail verließ, um sich ins Neue Serail zu begeben.
In einer langen Reihe von Kutschen geschah das, jede vergoldet und die Gespanne mit kostbar ausgelegten Geschirren versehen.
Den stolzen Zug eröffneten die Vorläufer der hohen Frau, dann erst kamen die undurchdringlichen Mauern ihrer Garden. Und während Pagen, Stallmeister und Hofwürden unmittelbar die Gefährte umgaben, bildeten die Großeunuchen der Sultana und deren Damen die allerengste Begleitung.
Das alles war unbedingt nötig, wenn die erhabene Mutter des Kaisers zu ihrer Schwiegertochter Saffieje auf Kaffeebesuch fahren wollte. Freilich umschwebte den Kaffee in Konstantinopel noch immer ein Hauch geheimnisvoller Fremde und Vornehmheit. Und daß er bereits nach der Eroberung Ägyptens dahin gelangt war, hatte seine Geltung nicht beeinträchtigen können.
In diesem Fall aber kam noch der Ursprung der Bohnen hinzu, deren Aufguß die allerhöchsten Herrschaften erquicken sollte. Der Scherif von Mekka hatte nämlich Saffieje Sultana einen Sack voll davon aus der Stadt Mokka verehrt. Und an der Vornehmheit Seiner heiligen Hoheit und damit auch seines Geschenks war schon deshalb nicht zu zweifeln, weil die Dynastie des Scherifen älter war als die seines kaiserlichen Suveräns.
Der Aufwand der Sultana Walide war freilich von der sich vorbereitenden sakralen Haltung völlig unabhängig. Ohne sich etwas zu vergeben, hätte die Dame auch dann nichts davon ablassen können, wenn sie irgendwo anders hin auf Besuch gefahren wäre und nicht zu einer Kaffeegesellschaft mit Familienrat.
Vollzählig war der Familienrat zwar nicht. Eine Reihe berechtigter Mitglieder fehlten, und im Grunde bestand er nur aus Hafsa Chatun und Saffieje.
Aber die Walide hatte ihre vierzehnjährige Jüngste mitgebracht, Esma Khan, ein liebes kleines Mädchen und scheinbar unbeschriebenes Blatt.
Und dann waren noch mit ähnlichem Prunk wie die Kaisermutter zwei andere Prinzessinnen vorgefahren: Dschanfeda Sultana. die den alternden Wesir und Serasker Mustafa Pascha zum Manne hatte, und ebenso des jungen Ferhad
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