Roxelane
Paschas Frau — Tamara Sultana. Dschanfeda Sultana, Hafsa Chatuns Älteste, wurde von der Mutter nicht ganz ernst genommen. Dschanfeda war ein zu sanftes Geschöpf, und mit ganz unfürstlicher Zuneigung hing sie an ihrem Mustafa, der bereits ihr zweiter Mann war und dessen Fältchen sie durchaus nicht störten. Sie hatte keinen andern Wunsch, als ihren Mann für sich zu haben und hätte alle seine künftigen Lorbeeren gern jedem andern überlassen.
Dagegen war Tamara mehr die Tochter ihrer Mutter Hafsa, allerdings ohne deren Sicherheit und Überblick. Gerade das, worin sich Tamara und Ferhad Pascha trafen, ihr und sein Machthunger, war das Trennende zwischen den Gatten.
Tamara war nämlich der Meinung, daß es für den Ehrgeiz eines Mannes vollauf genüge, das Bett einer Sultana teilen zu dürfen, und daß er dafür ausschließlich ihrem und nicht seinem eigenen Ehrgeiz nachzuleben habe.
Eigentlich war sie es gewesen, die seine Ernennung zum Serasker hintertrieben hatte, und nun war es ihm doch gelungen, einen andern Auftrag mit unbeschränkter Machtvollkommenheit zu erlangen. Darüber war sie jetzt böse. Denn die Gebiete, in die er entsandt werden sollte, lagen zu fern, als daß sie dort seine Machtbefugnisse hätte ausüben oder wenigstens mit ihm hätte teilen können.
Zu allem war ihr auch noch zu spät aufgegangen, daß die Würde des Seraskers für Ferhad Pascha ein fast sicherer Anspruch auf das Großwesirat gewesen wäre. Und das wünschte sie ihm im Grunde doch, und zwar deshalb, weil damit die segensreiche Regierung der Tamara hätte beginnen können.
Da das alles aber durch ihre eigenen allzu plötzlichen Aufwallungen in Frage gestellt worden war, nahm sie es selbstverständlich dem übel, den sie so unzeitgemäß bekämpft hatte.
Die junge Machtsüchtige war somit eine Beute von Gefühlen und Wünschen, die sich alle widersprachen, ein Zustand, der sie nicht gerade glücklich machte.
Doch ihre Mutter brachte sie schnell zur Ruhe.
Hafsa Chatun wußte um das Ebenmaß ihres Gesichts und ihres Körpers, um den feuchten Glanz ihrer schwarzen Augen, um den seltsamen Reiz ihrer Haare, die ihre straffen und frischen Züge wie ein silbernes Leuchten umgaben.
Sie war vorzeitig ergraut, doch gerade das steigerte die ihr angeborene Würde zur Majestät. Dabei entfernte die Ehrfurcht, die sie einflößte, nicht, sondern senkte sich tief und warm in die Herzen, weil zu all ihren Reizen noch eine große Natürlichkeit kam, die sie unwiderstehlich machte.
Hafsa Chatun wurde gut bedient, weil sie viel geliebt wurde.
Und diese Frau dachte mit ihren achtundvierzig Jahren nicht daran, sich eine ihrer Töchter über den Kopf wachsen zu lassen. Schon allein der Gedanke, das könne jemals geschehen, ließ sie so unruhig werden wie eine Bienenkönigin vor dem Auskriechen junger Weisel. Die Dschanfeda fürchtete sie nicht. Esma war zu jung. Tamara war die gefährlichste.
Ihr trat Hafsa Chatun entgegen.
Über ihren Schwiegersohn Ferhad jedoch machte sie sich gewiß keine Illusionen, was sie trotzdem nicht hinderte, für diesen ebenso gewissenlosen wie einnehmenden jungen Draufgänger eine Vorliebe zu hegen.
„Wenn er mich nun aber hintergeht?“ schmollte die Tochter.
„Red keinen Unsinn, Tamara“, wies die Mutter sie jedoch zurecht. „Er wird vieles tun, was uns mißfällt; nicht aber das.“
Und sie hatte guten Grund, davon überzeugt zu sein.
Ferhad Pascha erlaubte sich manches, wovor andere zurückgeschreckt wären. Gerade deswegen würde es seinen Untergang besiegelt haben, hätte er seine Stützen im Harem verloren.
Seine kaiserliche Schwiegermutter hielt ihn für klug genug, das zu wissen, und sie hatte es ihm niemals verheimlicht.
Und daß sie ihn zum Großwesir nicht wollte - daran war hauptsächlich seine Frau schuld.
Denn um nichts Geringeres ging es.
Es ging um die Ernennung des künftigen Großwesirs, der, wie der Padischah der Schatten Allahs auf Erden, seinerseits wieder der Schatten des Padischahs war.
Mit Piri Mustafa war es vorbei. Der alte Herr mochte während des Feldzuges die Verwaltung noch in Gang halten, doch das Recht zu allen wichtigen Ernennungen war ihm bereits genommen.
Wenn die Männer aber gewußt hätten, wie gut der Harem über sie unterrichtet war, so wären sie vielleicht vor der letzten ihrer Mägde, die ihre Treppen scheuerten, mehr auf der Hut gewesen.
Von Achmed Pascha, dem vor kurzem ernannten vierten Wesir, hieß es, er sei ein Intrigant und sein Ehrgeiz, gebe
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