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Roxelane

Titel: Roxelane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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bewacht und beschützt zu werden. Wer aber in der Türkei hätte es jemals gewagt, eine verschleierte Frau zu belästigen? Höchstens ein fremder Barbar. Und der wäre bald wirksam belehrt worden, daß er sich nicht mehr in der Christenheit, sondern in der rechtgläubigen Türkei befinde, wo er sich anständig zu benehmen habe.
    Für eine türkische Dame war nur eins gefährlich: die eingeräumte Freiheit zu mißbrauchen. Eine Liebelei konnte genau wie in Rom oder Sevilla den Tod einbringen, und das galt für jeden Harem und nicht nur für den des Kaisers. Und wenn die Landkarten, nach denen Roxelane die Nino geschickt hatte, nicht besser waren als dies Geschwätz aus Mainz . . .
    Und nun eben waren Roxelanes Gedanken wieder da, wo sie nicht sein sollten: bei Soliman.
    Ohne ihre Wohnung zu verlassen, kümmerte sie sich um alles, was mit dem Feldzug und dadurch mit Soliman zusammenhing. Sie machte sich Sorgen um den Kapudan Pascha, den Großadmiral, überlegte, ob der kaiserliche Schwager und zweite Wesir Mustafa wohl für die Stelle des Seraskers, des Feldherrn, der richtige Mann sei, und jetzt konnte sie die Karten nicht erwarten, um jede Meile von Solimans Marsch vorher auf ihnen abstecken zu können.
    Aber Nino und die alte Umma kamen immer noch nicht!
    Oder ... ? Sie sprang auf, um den beiden entgegenzugehen.
    Doch in der Tür stand ganz etwas anderes als die feingliedrige Griechin und die derbe Walachin, die zeit ihres Lebens nicht viel anderes getan hatte als scheuern und schrubben.
    In der Tür stand ein Kind.
    Ein Jungpage, der ohnehin im Harem nichts zu suchen gehabt hätte, konnte es nicht sein. Denn wenn das Kind auch ein Junge war, so hatte es zum Pagen doch nicht das richtige Alter, und die Uniform trug es auch nicht.
    Vielleicht war es ein ausgerissener kleiner Besuch, der mit seiner Mama gekommen war und sich nun nicht mehr auskannte?
    Bevor Roxelane jedoch fragen konnte, begann der Junge ganz von selbst und auf eine Art, die alles andere als schüchtern war.
    „Wer bist du, und was tust du hier?“
    „Das hier ist meine Wohnung“, lächelte Roxelane.
    „Deine Wohnung?“ zweifelte der kleine Mann, um dann mit Entschiedenheit fortzufahren: „Das ist ja gar nicht wahr!“
    „Man sagt nicht zu einer Dame: Das ist nicht wahr!“ versuchte Roxelane eine sanfte Belehrung.
    Erfolg hatte sie freilich nicht damit.
    „Wenn es doch nicht wahr ist!“ beharrte er ungerührt. „Hier wohnt Beig mit ihren Mädchen! Und die sollen mich verstecken und dann mit mir zum Schwanensee gehen. Allein darf ich nämlich nicht.“ „Beig...?“ fragte Roxelane und besah sich ihren Kavalier ganz genau.
    Etwa fünf Jahre mochte er alt sein, und eigentlich war er ganz einfach gekleidet: taubengraue enge Hosen, darüber einen in den Hüften eingebundenen blauen Kittel und auf dem Kopf einen weißen Bund -das war alles, was er trug. Aus dem Anzug konnte man nichts entnehmen. Jeder Junge wohlhabender Eltern konnte in Atlas gekleidet sein.
    Aber wenn er kein Besuch und der junge Herr hier im Harem zu Hause war ...
    Andere Kinder als Prinzen und Prinzessinnen wohnten im Harem nicht. Wenn der Junge die Wahrheit sprach, mußte er notgedrungen ein Prinz sein.
    Der Prinz. Denn einen gab es nur.
    Die schwarzen Augen des Jungen waren auch ganz die Solimans, nur daß diese hier trotzig und übertrieben männlich taten. Solimans langer Hals fehlte ebenfalls nicht. Die Haut des Knaben war freilich nicht dunkel, sondern eher durchleuchtend und weiß.
    „Meine Gouvernante wollte mich verhauen“, erklärte er ohne eine Spur von Verlegenheit. „Es stimmt ja auch, daß ich faul gewesen bin und im Diktat vierzehn Fehler gemacht habe“, gab er ehrlich zu, um dann um so mehr zu triumphieren: „Gekriegt hat sie mich aber doch nicht! Sie wurde abgerufen, und da hab ich ihr die Rute versteckt und bin ihr ausgekniffen!“
    Zerknirscht war der Junge gar nicht.
    „Wenn man dich nun hier fände?“ wagte Roxelane einen Einwand. Doch der wurde einfach beiseite geschoben.
    „Weißt du denn nicht, daß Beig meine Amme ist?“ fragte er mit einer Wichtigkeit, die einen hohen Begriff von seiner Amme verriet. „Beig will nie, daß man mich schlägt. Und die Gouvernante ist doch nicht einmal Hofmeisterin und überhaupt nur ein Mädchen! Ich bin auch schon viel zu groß, um mich noch von einem Mädchen schlagen zu lassen, sagt Beig.“
    Und nachdem er somit einen klaren Standpunkt in bezug auf Mädchen eingenommen hatte, faßte er nunmehr seinerseits

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