Roxelane
an Hemmungslosigkeit dem Ferhad Paschas nichts nach.
Die Walide hatte jedoch längst überlegt, daß dieser Ehrgeiz den Achmed Pascha nur um so fester an sie binden würde. Nicht aus Dankbarkeit - damit rechnete sie nicht -, wohl aber aus Klugheit, weil er, falls sie ihm das Amt verschaffte, es durch sie ebenso wieder verlieren könnte. Auch sollte er nur ruhig in die Familie hineinheiraten. Esma war jung und würde der Mutter keine Schwierigkeit machen. Aus diesem Grund kam die Walide also auf Achmed Pascha zurück, der mit Esma Sultanas Hand leicht zur Herrschaft gelangen könne. „Oh!“ erschrak Esma, und es war der erste Laut, den sie die ganze Zeit über von sich gegeben hatte.
„Wie meinten Sie, Esma Sultana Khan?“ fragte die Walide aber nur. Und die arme Kleine betete ihre Mutter viel zu sehr an, als daß sie -auf eine so bedrohliche Weise mit ihrem Titel angesprochen - irgendeine Widerrede gewagt hätte.
„Ich lauschte Eurer kaiserlichen Hoheit“, entgegnete sie demütig, um dann wieder in ihr kleines Nichts zu versinken.
Das nun war der Augenblick, in dem Saffieje eingriff.
Sie erinnerte an Solimans gleichaltrigen Freund, den Oberstfalkonier Ibrahim Bey, der auch für Esma in Frage komme.
Sie tat das nicht aus Liebe zu ihrer jungen Schwägerin. Denn für sie war Esma nur das willenlose Anhängsel der Mutter. Und gegen Hafsa Chatun hätte sich Saffieje niemals gestellt, aus echter Dankbarkeit nicht und dann auch nicht, weil das Bündnis zwischen der Mutter Solimans und seiner Chasseki beiden Frauen die Herrschaft verbürgte.
Im Augenblick aber dachte Saffieje nicht an Herrschaft, sondern nur an Soliman.
Schmach hatte er ihr angetan, ohne Abschied war er von ihr gegangen, und doch kreisten ihre Gedanken auch jetzt immer nur um die Frage, wie sie den Gatten wohl wiederbekäme.
Das war es, warum Saffieje Ibrahims Namen nannte. Trotz ihrer eigenen hemmungslosen Eifersucht, mit der sie nichts verschonte, was Solimans Interesse erregte, nannte sie Ibrahim; aber nur weil nach ihrer Überzeugung Ibrahim der Mensch sei, den es nicht mehr als einige wenige Worte koste, um Soliman wieder mit ihr zu versöhnen. Vielleicht spräche Solimans Freund diese Worte, dachte Saffieje, wenn er erst erfahren würde, daß er an ihr eine Freundin habe? Und erfahren solle er ihr Eintreten für ihn, dafür wolle sie schon sorgen!
Der Walide dagegen kam die Möglichkeit, daß ein Mensch wie Ibrahim irgendeinen Einfluß in der kaiserlichen Familie ausüben könne, überhaupt nicht in den Sinn. Für sie war Solimans und Saffiejes Zwist eine kleine alltägliche Ehetrübung, die nur wegen Solimans bevorstehender Abreise eine so bedauerliche Verschärfung erfahre. Für den Fall aber, daß der Sohn wirklich vergessen sollte, was er seiner Chasseki schuldig sei, glaubte Hafsa Chatun immer noch an die Wirkung ihrer mütterlichen Autorität. Ja, sie glaubte mehr als je daran. Fälle wie der mit jener Roxelane - davon war sie überzeugt - würden sich nicht mehr ereignen, nachdem Soliman jetzt wohl eingesehen haben werde, wohin solche Unregelmäßigkeiten führen. Und nicht viel anders als mit Roxelane sei es mit diesem Ibrahim.
„Wie kannst du nur so reden, Saffieje“, tadelte sie. „Ibrahim Bey ist der Verführer meines Sohnes, ein Mensch von lockeren Sitten!“ -Und an Hafsa Chatuns strengen Grundsätzen gemessen, mochte das auch stimmen. Daß aber Soliman seinen Freund anders sah, dafür konnte die Walide nichts.
Bereits in seiner Kronprinzenzeit hatte Soliman ihn in Magnesia kennengelernt.
Magnesia war damals des Thronfolgers Residenz in seiner Eigenschaft als Statthalter der Provinz Saruchan gewesen. Allerdings hatte Soliman sich auch schon in anderen Stellungen ausgezeichnet und vorübergehend sogar seinen Vater Selim in der Reichsregierung vertreten. Aber gerade dadurch war der Sohn zu seinem Vater und Padischah in unlösbaren Widerspruch geraten, und nur die Mutter hatte ihm sein Leben erhalten können.
Denn für Selim wäre Solimans Eigenschaft als letzter Prinz der regierenden Linie gewiß kein Hindernis gewesen, das Todesurteil seines Sohnes zu siegeln. Nur seiner Frau zu nahe zu treten, hatte der Padischah nicht gewagt.
Für Hafsa Chatun war Furcht ein unbekannter Begriff, und den Mord an ihrem Kinde hätte sie auch ihrem Mann nicht verziehen. Er hätte aufgehört, ihr Mann zu sein, und sie wahrscheinlich niemals wiedergesehen. Darüber war auch Selim sich klar gewesen. Und da dem blutigen Kaiser von allen
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