Roxelane
ist getan.“
Doch Roxelane neigte nur sanft ihren Scheitel.
„Ich muß die Kette trotzdem zurückgeben“, sagte sie. „Ich darf niemals von Seiner Majestät beschenkt, niemals von ihm erhoben worden sein. Denn sonst wäre die Behandlung, die mir widerfuhr, eine Mißachtung des kaiserlichen Willens.“
Sie hatte das in dem leisen Ton gesprochen, der einer Trauernden ziemt.
Der Kislar aber hatte Ausbrüche der Wut und des Schmerzes erwartet und erschrak gerade deswegen, weil sie nicht kamen.
Von einem der vier Frauengesichter zum andern wanderte sein Blick, verweilte auf dem Dede Semids, um dann voll Verwunderung auf dem undurchdringlichen Schleier haften zu bleiben, der Roxelanes Gesicht verbarg.
War es möglich, daß ihm etwa von dieser Siebzehnjährigen selbst jene verblüffende Antwort kam,-die - das wußte er! -, wenn nicht morgen, so doch übermorgen in den Bädern die Runde machen würde?
Wußte das Mädchen überhaupt, daß sie mit ihren Worten eine furchtbare Maschinerie in Bewegung setzte, die unangerührt zu lassen ein stummes Gesetz des Harems war? Daß sie die kaiserliche Autorität in den Streit der Frauen hineinzog?
Doch selbst die Exzellenz hatte nicht die Macht, den Willensakt einer Hanum zu unterdrücken, trotzdem er in diesem Fall sehr gewünscht hätte, es zu tun.
Aber diese junge Dame schien ihm zu gefährlich. Und der Preis für eine kleine Unterdrückung schien ihm zu hoch. Denn wenn die Unterdrückung ruchbar würde, wäre der Preis sein eigener schmaler Amharaschädel.
So erhob er sich denn und verneigte sich tiefer, als er sonst gewohnt war, es vor einem Mädchen von Roxelanes Rang zu tun.
„Der Segen Allahs sei mit Ihnen, meine Dame.“
Noch am gleichen Tag jedoch erstattete Lokman Aga der Walide seinen Bericht.
„Und es wäre vielleicht ratsam“, meinte er, „wenn Eure kaiserliche Hoheit der Saffieje Sultana zureden würden, die Angelegenheit auszugleichen.“
„Halten Sie Verwicklungen denn überhaupt für möglich?“ verwunderte sich Hafsa Chatun.
„Alles ist möglich“, wich er aus.
„Unsinn!“ sagte sie schroff, weil sie die Zeit für einen Machtspruch gekommen erachtete.
„Darf ich Hoheit erinnern, daß wir, was Roxelane Hanum anlangt, schon einmal vor einer Verwicklung standen?“ „Um so schlimmer!“ erklärte Hafsa entschlossen. „Eigentlich geht mich euer Neues Serail ja nichts an. Aber kümmern muß ich mich doch immer wieder um eure Streitereien. Und ich habe es längst satt, mich jedesmal über diese Person, über diese Roxelane zu ärgern!“ Lokman Agas ganze Verehrung galt der Walide. Doch wenn es geschehen konnte, hatte er nichts dagegen, sich hinter ihr zu verstecken. „Und was befehlen Eure kaiserliche Hoheit?“ fragte er.
„Gar nichts“, sagte die Walide. „Ich schreibe selbst meinem Sohn.“
14
Der Brief der Kaisermutter wurde zwar geschrieben, der überbringende Großeunuch traf den Padischah jedoch nicht mehr in Kawak an.
Ganz plötzlich war die Majestät noch einmal nach Konstantinopel gefahren. Seine Ankunft freilich wurde der öffentlichen Beachtung sorgfältig entzogen. Nicht einmal der kaiserlichen Galeere hatte sich Soliman bedient, sondern der des Nidschandschi, des Staatssekretärs. Auf ihr lief er ins Goldene Horn ein, landete am Gartentor und begab sich sofort ins Serail.
Trotz aller Geheimhaltung wußte der Harem natürlich sofort um die Anwesenheit des Herrn. Den Frauen etwas verbergen zu wollen, hatte in diesen Bezirken niemals viel Zweck, und jetzt fieberten sie vor Neugier, weil sie vermuteten, daß der kaiserliche Besuch einer Frau gelte.
Soliman wollte sich mit Saffieje versöhnen - das war die allgemeine Auffassung, und viele wollten wissen, daß die Sultana Walide es ausdrücklich so verlangt habe.
Dede Semid gehörte zu diesen vielen und, was mehr war, sie äußerte diese Meinung auch Roxelane gegenüber.
„Schicke die Mädchen fort!“ befahl die aber nur. „Siehst du nicht, wie sie mich stören?“
Nino und Umma mußten also zu den andern hinüber und wußten doch gar nicht, was man ihnen zur Last legen könne.
Sie waren auch wirklich ganz unschuldig.
Etwas anderes mußte den Zorn oder die Ungeduld der Herrin erregt haben. Nur kannte selbst Dede Semid dieses andere nicht.
Denn Roxelane sah beharrlich zum Fenster hinaus und schwieg.
Es war ein schönes Fenster, an dem sie stand. Durch schlanke Säulen war es geteilt, die nach oben in drei Spitzbogen im klassischen Stil der Alhambra
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